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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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auf ihre Gäste einstellen konnte, wurden im Voraus die Gewohnheiten abgefragt, so dass niemand während seines Aufenthaltes auf einen Wunsch verzichten musste, sei er auch noch so ausgefallen. Alles wurde natürlich streng vertraulich behandelt. Das gefiel Ondragon, der oft in Hotels der gehobenen Klasse zu Hause war und die Vorzüge von exzellentem Service zu schätzen wusste.
    Schon beim Abendessen am Vortag hatte ihn die Professionalität des Restaurantpersonals beeindruckt. Ganz im Gegenteil zu den Tischmanieren mancher Gäste. Wieder einmal hatte sich offenbart, dass Menschen mit Schotter und Statussymbolen nicht gleichzeitig auch eine gute Erziehung besaßen. Ondragon hatte diese zwar auch eher zwangsweise erfahren, war seinem Vater, zu dem er sonst ein sehr gespaltenes Verhältnis hegte, aber wenigstens dafür dankbar, dass er zu jeder Zeit auf tadelloses Benehmen beharrt hatte. Wenn auch verdammt oft auf schmerzhafte Weise mit dem Rohrstock. Der alte Bastard!
    Ondragon wandte sich dem in vornehmem Schwarz gekleideten Chefkellner zu, der mit einem freundlichen Lächeln grüßte und ihn zu seinem Tisch geleitete. Es war derselbe Tisch wie am Abend zuvor. Er stand in einer gemütlichen Ecke neben zwei großen Zierpflanzen und bot die perfekte Sicht über das ganze Restaurant inklusive der Gäste. Das war sein ausdrücklicher Wunsch gewesen und Ondragon vermutete, dass der Tisch extra für ihn an diese Stelle gerückt worden war.
    „Guten Morgen, Mr. Ondragon. Was hätten Sie gerne zu trinken?“
    Erfreut über die richtige Aussprache erwiderte Ondragon: „Guten Morgen, Carlos. Einen dreifachen Espresso mit Rohrzucker, schön heiß, bitte. Dazu einen frisch gepressten Orangensaft.“
    Der Chefkellner nickte höflich. „Wie darf ich Ihnen Ihren Porridge zubereiten lassen?“
    „Ungesüßt mit viel Milch und einem Schuss Sahne, auf gute schwedische Art.“ Ondragon lächelte, während der Kellner sich entfernte, um seine Bestellung weiterzugeben. Er war in Schweden geboren und mit der unvermeidlichen Havregröt großgezogen worden. Das Zeug sah zwar wenig appetitlich aus, machte aber zuverlässig satt. Außerdem hielt er nicht viel davon, sich gleich zu früher Stunde den Bauch vollzuschlagen, das lähmte die grauen Zellen und machte obendrein noch fett. Er aß zwar gerne und gut, aber die kontrollierte Nahrungsaufnahme stand dabei immer im Vordergrund.
    Der Espresso und der Orangensaft kamen. Ondragon tat einen gehäuften Löffel braunen Rohrzucker in die dampfende, schwarze Flüssigkeit und bevor er den ersten Schluck nahm, sog er das verführerische Aroma ein.
    Espresso: Kaffee in seiner konzentriertesten Form war sein geheimer Treibstoff, der statt Blut durch seine Adern floss. Ohne Kaffee war er ein sehr unausgeglichener Mensch. Und schlechter Kaffee war eine Katastrophe. Allem voran der amerikanische Kaffee. Grauenvoll! Nur die Espresso-Shots bei Starbucks konnte man trinken, ohne gleich blind zu werden.
    „Bitte sehr, Ihr Porridge.“ Der Kellner stellte die Schüssel mit dem grauen Brei vor ihm auf das Tischset. Ondragon dankte ihm und zückte den Löffel. Er probierte und nickte dem Kellner zufrieden zu. Porridge und Espresso waren nach seinem Geschmack. Mit einer dezenten Verbeugung zog der Kellner sich zurück.
    Während Ondragon sein Frühstück aß, beobachtete er unauffällig die anderen Gäste. Es war halb acht, und längst saßen nicht alle anderen Patienten zu dieser frühen Stunde schon beim Frühstück. Das hatte Ondragon vermutet, schließlich war nicht jeder ein Frühaufsteher wie er. Außerdem hatte er die Uhrzeit bewusst gewählt, so hatte er die gesamte Frühstückszeit im Blick und würde die meisten Gäste zu Gesicht bekommen. Seine Hand tastete nach dem Notizblock. Er würde penibel festhalten, welche Gestalten sich hier aufhielten, und vielleicht sogar herausbekommen, warum sie hier waren. Im Gegenzug würde er nichts von sich selbst preisgeben. So war es immer, und das war auch besser so.
    Sein Blick scannte routinemäßig die Tische ab, an denen jeweils höchstens drei Personen saßen. Die meisten Patienten nahmen ihr Frühstück allerdings alleine ein, ein paar davon kannte er bereits vom Vorabend. Ondragon zählte insgesamt neun der insgesamt zwanzig Gäste. Einige von ihnen vertilgten mehr oder weniger appetitlich ihr Essen, das vom zartgerösteten Toast mit Salatblättern garniert bis hin zum fetttriefenden Hamburger reichte, und die anderen nippten an Tee- oder Kaffeetassen

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