Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
Vom Netzwerk:
„Hatchet“ – Hackebeil! Auf seinen volltätowierten Armen war der Schriftzug gleich mehrmals zu erkennen. Er trug eine dunkle Sonnenbrille und wirkte wie ein Geschöpf der Dunkelheit, das man brutal ans Tageslicht gezerrt hatte. Mit grimmiger Entschlossenheit mampfte er seinen Burger, säbelte an ihm herum, als sei er Freddy Krüger höchstpersönlich. Ondragon kannte sich in der Death -Sezene nicht so gut aus, aber er schätzte, der Typ gehörte einer Band an, deren Name vermutlich „Hatchet“ war.
    Das war etwas, das er später nachforschen konnte. Über sein iPhone würde er sich Informationen zu „Hatchet“ aus dem Internet beschaffen, vorausgesetzt es gab hier eine Verbindung. Er nahm den letzten Schluck von seinem Espresso, bevor er seine Aufmerksamkeit zu der attraktiven Frau am sechsten Tisch lenkte. Sie las in einer Zeitung. Ihr schwarzes Haar fiel in glatten Kaskaden über die eine Hälfte ihres Gesichtes. Trotzdem konnte Ondragon ihre exotisch herben Züge erkennen: Hohe Wangenknochen, dunkle, etwas schrägstehende Augen und fein geschwungene Lippen. Vielleicht Asiatin?
    Genau sein Typ.
    Er schätzte sie auf Anfang dreißig. Sie wirkte seltsam fehl am Platze, was möglicherweise an ihrem angenehm ungekünstelten Erscheinungsbild lag, denn sie trug lediglich einen schlichten, dunkelgrünen Pullover mit V-Ausschnitt und eine schwarze Hose, dazu eine Silberkette mit einem Anhänger. Ondragon mochte Understatement. Nichts an ihr roch nach Geltungssucht oder zu viel Dollars. Darin unterschied sie sich deutlich von allen anderen Anwesenden, inklusive ihm selbst.
    Die Frau schien seinen unauffälligen Blick zu spüren, denn sie sah plötzlich auf.
    Hätte er sofort weggesehen, wäre das verdächtig gewesen, deshalb hielt Ondragon ihrem Blick stand und nickte ihr höflich zu. Es war schließlich nichts dabei, jemanden am Morgen beim Frühstück zu grüßen. Sie nickte zurück, lächelte aber nicht, und wandte sich wieder ihrer Zeitung zu. Das Papier raschelte leise.
    Ondragon spürte unvermittelt, wie er seinerseits angestarrt wurde. Er tat so, als widmete er sich ganz dem Genuss seines Orangensaftes und schaute wenig später wie beiläufig in die Richtung. Verstimmt stellte er fest, dass Mr. Shamgood den Raum betreten hatte und von dem Chefkellner am Tisch direkt neben ihm platziert worden war. Das babyglattrasierte Gesicht des Mannes war ihm zugewandt, und seine unnatürlich blauen Kontaktlinsenaugen glotzten ihn unverhohlen an. Die sonnenstudiogegrillte Haut stand im grotesken Kontrast zu seinem wasserstoffblonden Haar. Mr. Shamgood trug wieder seinen unmöglichen Freizeitanzug, den er vermutlich für totschick hielt. Für Ondragons Geschmack saß der schillernde Stoff allerdings etwas zu eng und betonte die scheinbar gut bestückten private parts des Herren, was mit Sicherheit auch so beabsichtigt war. Eine Wolke penetranten Aftershaves waberte zu ihm herüber und legte sich, alle anderen Frühstücksgerüche erstickend, in seine Nase.
    „Guten Morgen, Mr. Ondragon! Richtig?“
    „Mr. Shamgood“, nickte Ondragon unterkühlt zurück und wandte sich wieder seinem Porridge zu.
    „Manager?“
    Ondragon fühlte, wie der Blick des anderen über seine Kleidung kroch.
    „So ähnlich. Unternehmensberater.“ Das war die Rolle, in die er schlüpfte, wenn er aufdringlichen Fragen ausgesetzt war. Für ganz harte Fälle hatte er sogar immer ein paar gefälschte Visitenkarten dabei.
    Shamgood wedelte entzückt mit einer Hand. „Ach, auch einer von der ganz gestressten Sorte. Damit kenne ich mich aus. Ich bin nämlich Modedesigner, das Label Tommy Shamgood sagt Ihnen mit Sicherheit etwas. Richtig?“
    Das tat es durchaus und bestätigte Ondragons Vermutungen, die er bereits tags zuvor über Mr. Shamgood angestellt hatte. Das Modelabel des Selfmade-Designers war in den letzten zehn Jahren sehr erfolgreich gewesen, und es hieß, dass Shamgood seine Anteile für eine Milliarde Dollar verkauft hätte. Der Kerl musste in Geld schwimmen. Ondragon fragte sich, welche Art von synaptischer Fehlverknüpfung ihn wohl hierher geführt hatte.
    „Ich trage selten Markenklamotten“, antwortete er bewusst gleichgültig und aß den letzten Löffel Porridge. „Ich lasse mir vieles maßschneidern.“ Mit einem Wink an den Kellner bestellte er sich noch einen weiteren Triple-Espresso, in der Hoffnung, mit dem Kaffeeduft die aufdringlich parfümierte Aura des Modedesigners zu vertreiben.
    „Wo kommen Sie denn her?“
    Ondragon

Weitere Kostenlose Bücher