Ondragon - Menschenhunger
er die kaputtesten aller Geisteskranken kuriert, aber in Wirklichkeit ist er ein perverser Voyeur, der sich an den abscheulichen Gewalttaten seiner Patienten aufgeilt, und nennt das dann auch noch ‚Forschung‘. Nach außen hin spielt er den gütigen Vater, der sich um seine Kinder kümmert, aber in seiner Seele ist er ein Satan in Weiß. Denk doch mal nach, Kateri. Warum verschwinden hier immer wieder Leute?“
„Das ist mir egal! Ich weiß, wer Jonathan ist. Im Gegensatz zu dir.“
„Oh, ich weiß sehr wohl, was für ein sauberer Herr dein Dr. Arthur ist, Kateri. Es geht hier um Kannibalismus, um Menschenfresserei. Dr. Arthur betreibt eine Kannibalenfarm. Ein monströses Spiel unter dem edelmütigen Deckmantel der Forschung.“
Plötzlich veränderte sich Kateris Blick, und mit einem Mal schoss Ondragon die Gewissheit durch den Magen. Sie war auch eine von ihnen!
Er schluckte. Er hatte es nicht glauben wollen, dabei war es doch so offensichtlich gewesen.
„Und?“ Kateri sah ihn mit erhobenem Kinn an. „Dir hat es doch auch nichts ausgemacht, mit einer Kannibalin zu schlafen! Ist das nicht auch pervers? Oder willst du mir weismachen, dass du nichts davon gewusst hast? Du bist doch auch nichts weiter als ein Fetischist, der nach abartigen Abenteuern sucht.“
Da war was dran. Irgendwie.
„Sex mit einer Kannibalin, wie hoch kommt das auf deiner Liste, he?“ Sie fauchte wie ein angriffslustiger Alligator.
„Jetzt hör mal, du warst doch auch nicht gerade abgeneigt, es mit mir zu treiben! Sheila bringt es wohl nicht so wie ein richtiger Kerl, was?“
Die nächste Ohrfeige erwischte ihn, aber sie machte ihn nur noch rücksichtsloser. Er packte grob in Kateris Haare und bog ihren Kopf zurück. Sie stöhnte auf. Ondragon blecke seine Zähne. Kateris so verletzlich entblößter Hals hatte eine überaus erotische Wirkung auf ihn, und es wäre ein Leichtes gewesen, sie zu nehmen, gleich hier auf dem Stallboden. Dann hätte sie seine dunkle Seite kennenlernen können. Doch Ondragon beherrschte sich. Julian konnte jederzeit hier auftauchen. Er ließ sie los.
„Du hast deine Eltern gegessen, stimmt‘s? Damals, nach dem Flugzeugabsturz im Eis“, sagte er.
Kateri rieb sich die schmerzende Kopfhaut, dann nickte sie. Weiter nichts. Was sollte sie auch sagen? Dass es ihr leid tat? Dass sie es nie wieder tun würde? Hätte sie es nicht getan, wäre sie gestorben wie ihre Eltern. Konnte man sie für diese instinktive Handlung verurteilen? Jeder könnte eines Tages vor eine derartige Entscheidung gestellt werden, und niemand könnte von sich behaupten, er wüsste genau, wie er sich verhalten würde. Leben oder sterben? Essen oder gegessen werden? In einer solchen extremen Notlage waren Ethik und Pietät leere Worthülsen. Willkürliche Begriffe, die sich die Zivilisation ausgedacht und mit Bedeutung gefüllt hatte, welche aber die Natur in ihrem wilden und erbarmungslosen Wesen nicht kannte. Sie kannte keine Worte, sie kannte nur den rohen Akt des Überlebens. Ondragon stellte fest, dass er womöglich nicht anders gehandelt hätte. Er konnte Kateri nicht verurteilen. Es war ein Unfall, eine tragische Verkettung von Ereignissen. Es war ihr Schicksal. Und um das beneidete er sie wahrlich nicht. Trotzdem musste sie einsehen, dass Dr. Arthur ein Verbrecher war. Ein selbstherrlicher Heilkünstler, der die Grenzen der Gesellschaft überschritt, wie es ihm gerade passte. Ein Wolf im Arztkittel. Und er musste gestoppt werden.
„Kateri, ich mag dich … noch immer. Und ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt. Aber du musst der Wahrheit ins Auge sehen. Du kannst nicht bei Dr. Arthur bleiben. Ich biete dir an, nachher mit mir nach Orr zu fahren, dort werde ich die Polizei informieren und auch das FBI. Noch kannst du deine Sachen packen und diesem Ort hier unbeschadet den Rücken kehren. Du musst der Polizei nicht erzählen, dass du von den Machenschaften deines Mentors wusstest. Du warst seine Patientin und du warst von ihm abhängig, standest unter seinem Einfluss.“
Sie nickte nicht, sagte aber auch nicht Nein. Stumm blickte sie über seine Schulter hinweg ins Leere.
„Kateri?“
Ihre Pupillen zogen sich zusammen, als sie ihren Blick wieder in den seinen lenkte. Das Feuer darin war erloschen. Stumpfe Resignation war an seine Stelle getreten. „Ich denke darüber nach“, flüsterte sie und legte ihren Kopf an den Hals des Pferdes, als sei dies ihr einzig wahrer Freund.
„Ist alles
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