Ondragon - Menschenhunger
in Ordnung?“ Julian war um die Ecke gekommen und baute sich vor Ondragon auf. „Hat er dir was getan, Kateri? Wenn ja, dann polier ich ihm die Fresse, diesem Irren!“
Dieser kleine picklige Pimpf, dachte Ondragon und hob eine Hand. „Nichts ist passiert, Django . Komm wieder runter.“ An Kateri gewandt, sagte er: „Du weißt, wo du mich findest.“
Als Ondragon den Stall verließ, hörte er Julian hinter sich Kateri fragen: „Hast du was mit dem?“
Er ging zurück zur Lodge. Dabei fiel ihm Pete auf, der gerade auf den Weg zur Hütte seines Onkels abbog. Der Hillbilly bewegte sich noch ungeschickter als sonst, so als wolle er nicht auffallen. Er trug etwas in ein Geschirrtuch eingewickelt auf seinem Arm. Ondragon heftete sich an seine Fersen und stoppte ihn auf halbem Wege, als ihm endlich dämmerte, was er vorhatte. „Pete!“
Der Hillbilly fuhr herum und ließ vor Schreck das Bündel fallen. Aus dem Geschirrtuch kullerten zwei Dutzend weißer Kerzen.
„Was willst du damit? Wir haben doch eine Abmachung!“
Der Kofferjunge blickte auf die Kerzen im Gras und druckste herum.
„Ich nehme die Kerzen besser wieder mit in die Lodge und sage Carlos, dass er darauf aufpassen soll, damit du sie nicht wieder klaust. Mensch, Pete, mach keinen Blödsinn! Deinem Bruder werde ich schon noch helfen.“
„Aber Sie hauen doch heute ab.“
„Wer hat dir denn das gesagt?“
„Sheila. Sie hat gesagt, dass Sie Ihren Autoschlüssel abgeholt haben.“
Sheilas stille Post! Allmählich entwickelte die Dame sich wirklich zu seiner Nemesis. „Ich fahre nachher nach Orr, Pete, dort treffe ich jemanden aus meinem Büro, es ist etwas Dringendes. Aber ich komme später nochmal wieder.“
Pete nickte. Hoffentlich hatte er die Notlüge geschluckt.
„Da fällt mir ein, woher stammt eigentlich das Paar Schuhe, das bei euch im Zimmer auf dem Regal liegt?“
„Das hat Momo im Wald gefunden. Die Wanderer werfen manchmal was weg. Das sammelt er dann auf. Er ist immer ganz stolz, wenn er etwas findet.“
„Kannst du sie mir bringen? Vielleicht helfen sie dabei, deinen Bruder zu entlasten.“
Es war besser, wenn er Pete eine Beschäftigung gab, dann würde er vorerst nicht auf dumme Gedanken kommen. Und Botengänge waren eine gute Ablenkung. Außerdem brauchte er die Schuhe noch.
Er ließ Pete ziehen, klaubte die Kerzen auf und ging zurück zur Lodge. Dort gab er die Stearinstangen bei Carlos ab, entschuldigte sich im Namen von Pete bei ihm und trug ihm auf, die Kerzen in Zukunft besser unter Verschluss zu halten.
47. Kapitel
2009, Moose Lake, Cedar Creek Lodge
Nachdem Pete ihm die Schuhe auf das Zimmer gebracht, und er den Hillbilly zur Ölkontrolle zum Mustang geschickt hatte, begab sich Ondragon zu Dr. Arthurs Büro. Er fühlte sich glänzender Laune, denn auf die Begegnung mit dem Psychotherapeuten war er bestens vorbereitet und er freute sich auf das bevorstehende, hochkarätige Duell. Eigentlich hätte er gleich nach Orr fahren und zur Polizei gehen können, er hatte genug Beweise beisammen. Aber seinen Sieg wollte er sich nicht entgehen lassen. Er wollte die Niederlage des Dr. Arthur persönlich miterleben und den Schmerz in dessen Augen sehen.
Die Tür öffnete sich, und Ondragon trat ein. Er musterte sein Gegenüber wie ein Jäger das Wild, das er gleich zur Stecke bringen würde. Der Doc wirkte, als hätte er dieses unangekündigte Treffen vorausgeahnt. Er trug keinen Kittel, und sein Büro war leer. Ohne etwas zu sagen, wies er Ondragon den Stuhl. Doch der lehnte ab. Dr. Arthur nickte, als hätte er auch das geahnt. Ondragon war klar, dass dieser Mann kein leichter Gegner sein würde. Wie ein asiatischer Schwertkämpfer postierte er sich am günstigsten Punkt des Zimmers: zwischen Tür und Schreibtisch, das linke Bein leicht zurückversetzt, um schnell einen Sprung nach vorn, aber auch nach hinten machen zu können. Dr. Arthur hingegen ließ sich ganz entspannt auf der Kante seines Schreibtisches nieder. Sein gelber Blick war ruhig, aber wach.
Gib Acht, Paul, der Kerl ist mit allen Wassern gewaschen. Er hat in deinen Kopf gesehen. Er könnte Waffen gegen dich benutzen, die du jetzt noch nicht kennst. Psychotricks, die nur er beherrscht. Ondragon verlagerte sein Gewicht auf den hinteren Fuß und schob die Hände in die Hosentaschen, was seinerseits Lässigkeit signalisieren sollte. Bevor er das Wort ergriff, schob er sein Kinn vor. Schließlich war er besser als sein Widersacher und durfte das auch
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