Ondragon - Menschenhunger
seinem Bett auf. Nachdem er sich von Hatchet verabschiedet hatte, war er in sein Zimmer gegangen, wo er sich zum Nachdenken hingelegt hatte.
Konnte das wirklich sein? Behandelte Dr. Arthur hier in der Cedar Creek Lodge Kannibalen? Hier unter einem Dach mit all den anderen Pflegefällen? Und war Kateri Wolfe eine Kannibalin, obwohl sie ihm erklärt hatte, dass sie Vegetarierin sei, weil sie den Geschmack von Fleisch nicht ertrug? Diese Vorstellung war … erregend und beängstigend zugleich.
Ondragon kam erneut die Geschichte von Vernon in den Sinn. Bates soll einen Arm im Wald gefunden haben. Und dann dieses Wendigo-Gequatsche, das Waldmonster, das Menschfleisch fraß!
Unruhig geworden erhob Ondragon sich. Er konnte hier nicht so tatenlos herumliegen, wenn da draußen, oder besser hier drinnen ein, nein, schon wieder falsch, womöglich mehrere Verrückte herumliefen, die es auf Menschenfleisch abgesehen hatten. Er holte sein iPhone hervor und sah auf das Display. Keine Mail von Rudee! Ungeduldig wählte er eine Nummer.
„Chef?“, meldete sich seine Assistentin im fernen Los Angeles. Ihre Stimme zu hören, verursachte Ondragon Sehnsucht nach der Großstadt. Die Freiheit, mit dem Auto zu fahren, wohin man wollte - einfach auf den Freeway und weg; der Geruch nach heißem Asphalt, überquellenden Mülleimern, Sonnencreme und zu viel Menschen, Bars, Cafés und klimatisierten Supermärkten. Einfach herrlich!
„Charlize, könntest du einen Auftrag für mich erledigen?“
„Der wäre?“
„Es sind zwei Dinge, die aber beide mit einem Ort zu tun haben.“
„Ja?“
„Schreibst du mit?“
„ Hai , Paul- san !“
„Gut, es geht um den Ort Orr hier in Minnesota, kleines Kaff, lebt von der Holzindustrie. Das erste, was ich wissen möchte, ist, ob es im März 2009 oder davor einen Mord gegeben hat, ob jemand als vermisst gemeldet wurde oder ob eine Leiche aufgetaucht ist. Das zweite betrifft eine Familie namens Parker. Sie wohnte in der Nähe dieses Ortes und hatte zwei Söhne, Peter und Mortimer. Vater und Mutter sind 1996 tot in ihrer Hütte aufgefunden worden. Ich möchte wissen, was die Todesursache war und ob man den Mörder gefunden hat, naja, eben alles, was du darüber finden kannst. Dann bräuchte ich noch sämtliche medizinischen Artikel von Dr. Jonathan Aaron Arthur über Kannibalismus. Ach ja, und finde doch mal heraus, ob in Orr noch einen Mann namens Jeremy Bates wohnt.“
„Chef?“
„Ja?“
„Ist alles in Ordnung?“
Ondragon stutzte. „Wieso?“
„Hört sich an, als ob du mit Hannibal Lecter die Zelle teilst. Nein, mal ehrlich, du klingst aufgekratzt, so kenne ich dich gar nicht.“
„Es wäre schön, wenn du die Informationen so schnell wie möglich beschaffen könntest, hörst du? Es ist sehr dringend! Und wenn du kurz nach Orr fliegen musst, ist mir egal. Ich kann hier jedenfalls nicht weg!“
Kurzes Schweigen am anderen Ende. „Gut. Bin schon dabei!“ Sie schien seine Unfreundlichkeit einfach zu ignorieren. War auch besser so, schließlich waren seine Launen nicht immer ganz einfach. Wenn Paul Eckbert Ondragon etwas als dringend einstufte, dann war es ein physikalisch geltendes Gesetz! Strecke geteilt durch Zeit gleich Geschwindigkeit, oder so etwas in der Art.
Er verabschiedete sich, legte auf und sah noch einmal in seine Mailbox. Immer noch nichts von Rudee. Dafür eine Anfrage von seinem Mitarbeiter Dietmar Hegenbarth aus Dubai. Er wollte wissen, ob er als Bezahlung für seine Beratung eine Beteiligung an einer Ölquelle in Abu Dhabi akzeptiere? Verdammt, er hatte diese Mails doch auf Charlizes Account umgeleitet. Genervt sendete er eine Antwort an Dietmar, seinen ältesten Angestellten, mit der Aufforderung, er solle es gefälligst selbst entscheiden, und schaltete das Telefon aus.
Wenig später verließ Ondragon sein Zimmer und ging nach unten. Er wollte mit Kateri sprechen. Er musste wissen, warum sie hier war. Vielleicht hatte Hatchet sich auch nur einen Scherz mit ihm erlaubt, und die „Braut aus der Hölle“ hatte ein ganz anderes Problem als die Lust auf Menschenfleisch!
Er fand sie in der Lounge in einem Sessel am Terrassenfenster sitzen. Draußen war es noch immer ungemütlich regnerisch, und es sah aus, als ob sich das heute wohl auch nicht mehr ändern würde. Von hinten trat er an Kateri heran und wollte sie gerade ansprechen, als er sah, was sie tat.
Sie las in einem Buch!
Erschrocken trat er zurück. Ekel regte sich in seiner Kehle, und sofort waren
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