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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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wie die Personifizierung des kontaktunfähigen, sexuell gehemmten Junggesellen in den Vierzigern und aß mit nur wenig Appetit. Nein, der war viel zu verkrampft für solch ein extravagantes „Hobby“, aber bekanntlich waren stille Wasser tief und sumpfig.
    Und der britische Investmentbanker? Terry Stuart starrte mit säuerlicher Miene in die Gegend, als gehe er im Kopf sämtliche Börsenkurse durch und ärgere sich dabei, dass er sein Handy hatte abgeben müssen und nun keine Geschäfte mehr machen konnte. Der Typ hatte etwas Manisches an sich, aber ob er deswegen gleich ein Kannibale war? Ondragon wandte sich wieder seinem Essen zu: Eine halbe Ente ohne Knochen, aber mit Rotkohl und Orangensoße. Wenn er so weiter aß, würde er nach seinem Aufenthalt hier Werbung für Michelin-Autoreifen machen können.
    Nach dem Essen - Miss Wolfe war die ganze Zeit über nicht aufgetaucht - schlenderte er hinüber in die Lounge, holte sich einen Virgin Caipirinha und ging nach vorne in den nur spärlich beleuchteten Eingangsbereich. Der Empfangstresen war verwaist, Sheila hatte schon Feierabend. Ondragon trat an die Glastür und sah nach draußen. So als verschlucke er jegliches Licht, stand sein Mustang wie ein düsterer Veteran der Straße zwischen den anderen Autos. Er wirkte fast zornig, weil er, der mit seinen 41 Jahren schon alle Straßen gesehen hatte, neben einem roten Prius stehen musste. Ondragon fiel auf, dass an der Anordnung der Autos etwas anders war. Ein Geländewagen fehlte, der Chrysler. Wem der gehörte, hatte er noch gar nicht herausgefunden. Außerdem, so stellte er fest, war ein Auto dazugekommen, eine weiße Lexus Limousine. Wahrscheinlich gehörte sie einem der Angestellten oder Ärzte. Die Wagen der Polizei waren schon längst nicht mehr da. Ob Deputy Hase nochmal wiederkam, um weiter Leute zu befragen?
    Ondragon setzte sich auf das gemütliche Ledersofa, nippte an seinem Caipi und schaute in die Gasflammen des Kamins. Die waren zwar nicht so schön wie ein echtes Feuer und knisterten auch nicht, aber sie halfen beim Nachdenken. Heute Nacht wollte er sich mit Zimmer Nr. 20 beschäftigen. Wenn er erst einen Blick hinein geworfen hätte, wäre er vielleicht schlauer. Ondragon leerte sein Glas und lehnte sich zurück. Es war erstaunlich, wie sehr ihn diese fremde Umgebung aus dem Konzept brachte. Es war nicht sein gewohntes Feld, nicht seine Homezone. Er brauchte das vertraute Chaos der Stadt. In der Stadt konnten die Menschen noch so verrückt sein, sie bot jedem eine Nische, aber hier in der gottverlassenen Wildnis wirkte schon der kleinste Tick bedrohlich. Der Mangel an Alternativen machte ihn verletzbar - ausgerechnet ihn! Ondragon stand auf und ging in die Lounge, um noch einmal nach Kateri zu sehen. Keine Spur von ihr. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stieg er die Treppe hinauf. Vor Kateri Wolfes Tür blieb er stehen. Nur wenige Atemzüge vergingen, bevor er klopfte. Keine Antwort. Er beließ es dabei. Wenn sie ihre Ruhe haben wollte, dann musste er dies akzeptieren. Leise ging er in sein Zimmer und verbrachte den Rest des Abends damit, im Internet zu recherchieren.

    Um zwei Uhr nachts klingelte sein Wecker. Die Luft im Zimmer war stickig. Ondragon stand auf und öffnete die Balkontür. Eine frische Brise wehte ihm entgegen. Die Regenwolken hatten sich verzogen und der abnehmende Mond spiegelte sich zusammen mit den schwarzen Schemen der Bäume auf dem See. Langsam atmete er ein. Die Würze von feuchten Tannennadeln und harziger Baumrinde drang in seine Nase und kitzelte seinen von der Stadtluft verkümmerten Riechsinn.
    Bevor Ondragon das Zimmer verließ, vergewisserte er sich, ob sein iPhone genug Saft hatte, dann öffnete er die Tür und spähte in den dunklen Flur hinaus. Er war leer. Auf leisen Sohlen ging er zu Nr. 20. Kurz lauschte er an der Tür und holte dann das Telefon hervor, um damit den Zahlencode des Schlosses zu knacken. Plötzlich hörte er ein Geräusch. Rasch versteckte er sich hinter der Sitzgruppe am Ende des Flures und lugte um den Sessel herum. Im Dunkeln gewahrte er eine Bewegung. Aber nicht vor Orchids oder Hatchets Zimmer, sondern vor Kateri Wolfes. Ihr Schatten verharrte kurz und ging dann in Richtung Treppe. Auch wenn Kateri nicht seine Zielperson war, nahm Ondragon die Verfolgung auf. Leise schlich er ihr hinterher, folgte ihr bis zum Eingangsbereich, ohne dass sie ihn bemerkte. An der Tür hielt Kateri inne, holte etwas aus der Hosentasche - sie war vollkommen

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