Ondragon - Menschenhunger
finde es jedenfalls seltsam, dass das Ding ausgerechnet auf meinem Balkon gelandet ist. Ich bin schließlich auch in die Leiche getreten.“
„Wohl eher ein Zufall“, wiegelte Hase ab.
„Hm.“ Schuyler hielt den Plastikbeutel vor seine Augen. „Ein Bär könnte es schon gewesen sein, der Kopf wurde ja förmlich abgerissen.“ Er grinste. „Das wird Dr. Layton nicht gefallen! Wenn es nach ihr ginge, so lägen die niedlichen Teddybärchen den ganzen Tag auf der Wiese und pflückten Gänseblümchen. Pah!“
„Haben Sie denn mittlerweile herausgefunden, wer oder was den Mann getötet hat? Und war es überhaupt ein Mann?“ Ondragon sah vom Deputy zum Medical Examiner, der sich die Handschuhe auszog und mit in den Beutel stopfte.
„Es war ein Mann, ca. vierzig Jahre alt, dunkelhaarig, etwa 5,7 Fuß groß. Wir haben ihn aber leider noch immer nicht identifiziert. Und es waren eindeutig Fangzähne, die ihn verletzt haben. Dr. Layton denkt allerdings immer noch, dass es kein Bär gewesen ist. Etwas ist an diesen Wunden ist in der Tat seltsam, ich …“
„Es reicht, Dr. Schuyler! Mr. Ondragon hier muss nicht alles wissen!“, fuhr der Deputy den älteren Pathologen an. „Ich denke, wir sind hier fertig.“ Er wandte sich zum Gehen.
„Egal ob Bär oder Mann“, rief Ondragon ihm hinterher, „wäre es nicht vielleicht angebracht, eine Ausgangssperre für sämtliche Gäste und Mitarbeiter der Lodge zu verhängen? Irgendetwas läuft da draußen rum und reißt Menschen und Hunden Kopf ab!“
„Wissen Sie was, Mr. Ondragon“, Hase hatte sich umgedreht und seine Daumen in den Gürtel gehakt, „wie wäre es, wenn Sie uns unsere Arbeit machen lassen und sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern! Ich denke, wir können die Gefahr schon ganz gut einschätzen.“
„Wo ist eigentlich Dr. Layton?“, interessierte sich Ondragon.
„Am Tatort. Wie Dr. Schuyler schon gesagt hat, glaubt sie noch immer nicht, dass es ein Bär gewesen ist, und sucht nach weiteren Hinweisen.“
„Und was glauben Sie?“ Ondragon ging das blasierte Verhalten dieses Möchtegern-Hilfssheriffs auf die Eier.
„Ich habe meine Vermutungen, aber die werde ich ganz bestimmt nicht mit einem Laien diskutieren.“
Laie - wenn du Würstchen wüsstest!
Hase gab Schuyler ein Zeichen, und beide verließen das Zimmer. Ondragon sah auf die Blutlache. Toll! Die konnte dann wohl jemand anders wegputzen!
Noch während er auf das zähflüssige Rot starrte, kam ihm ein Gedanke. Dr. Layton war am Tatort. Vielleicht war sie gesprächiger, als der miesgelaunte Deputy. Er würde sich einfach seine neuen Laufschuhe schnappen, eine kleine Joggingrunde einlegen und dabei ganz zufällig auf die Verhaltensforscherin stoßen.
22. Kapitel
1835, Kabetogama, im Wald 20 Meilen entfernt von Fort Frances
Wider Erwarten schlief Lacroix die ganze Nacht durch, auch wenn er seine Sinne darauf eingestellt hatte, ihn zu alarmieren, falls sich im Lager etwas regte. Doch offensichtlich war alles ruhig geblieben. Mit steifen Gliedern erhob er sich und sah nach Parker. Der lag auf dem Rücken und starrte in den kalten Morgenhimmel.
„Alles gut?“, fragte er ihn, doch sein Freund war schon wieder in die Nebel des Fiebers abgetaucht. Lacroix prüfte seinen Puls. Etwas schnell, aber nicht lebensbedrohlich. Er sah auf und beobachtete die Soldaten dabei, wie sie allmählich erwachten. Einer von ihnen mühte sich auf die Beine und fachte das Feuer neu an, das schon wieder ausgegangen war.
„Zum Teufel, Johnson, bist du wieder eingeschlafen!“ Der Soldat trat gegen den Deckenhaufen, in dem der vermeintliche Johnson schlief. Doch die Decken waren leer.
„He, wo ist er?“ Er sah sich um, doch alle zuckten nur mit den Schultern.
„Vielleicht pinkeln“, sagte einer und machte sich daran, Wasser zu erhitzen.
„Was ist?“, fragte Stafford scharf von der anderen Seite des Lagers her. Mühsam erhob er sich, die Müdigkeit noch deutlich im Gesicht. Er legte sich den Gürtel mit dem Säbel um.
„Lieutenant Stafford, Johnson ist verschwunden. Er hatte zuletzt Wache.“
„Dann, sucht ihn, verdammt noch mal! Worauf wartet ihr noch!“
„Jawohl, Sir!“ Der Soldat wies seine Kameraden an, bei der Suche zu helfen. Kurz darauf schwärmten sie aus und riefen den Namen des Verschwundenen in den Wald hinein. Hohl hallte er durch die feucht glänzenden Baustämme, die wie schwarze Finger aus dem grauen Schnee ragten, wieder zurück. Tauwetter hatte eingesetzt, und
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