Ondragon - Menschenhunger
unaufhörlich tropfte es von den Ästen in ihre Krägen.
Lacroix half Parker auf. Der alte Fallensteller war noch schwächer geworden und konnte kaum alleine laufen. Er schleppte ihn näher zum Feuer und kümmerte sich um den Kaffee, während die Soldaten den Vermissten suchten. Lieutenant Stafford richtete derweil seine Uniform und blickte finster zu ihm hinüber.
Plötzlich zerschnitt ein Schrei die Stille.
Ihre Köpfe drehten sich gleichzeitig, lediglich Parker starrte weiter unbeteiligt in die Flammen. Doch bevor einer von ihnen sprechen konnte, kamen zwei der Soldaten aus dem Wald gerannt. Sie ruderten aufgebracht mit den Armen und deuteten immer wieder in die dichte Tannenschonung.
„Lieutenant! Er ist da drüben! Johnson! Wir haben ihn gefunden. Er ist tot!“ Die beiden Männer hielten atemlos vor ihrem Vorgesetzten, der sie ausdrucklos anblickte.
„Ja, er ist mit Sicherheit tot, denn er wurde wie ein Schwein aufgeschlitzt! Überall ist Blut!“ Der Soldat schluckte lautstark, als würde ihm erst jetzt klar werden, was er da gesehen hatte.
„Was? Aufgeschlitzt?“, wiederholte Stafford und zog seine Pistole aus dem Halfter am Sattel. „Führt mich hin!“
Lacroix folgte dem Lieutenant und den beiden Soldaten in den Wald. Weitere Männer schlossen sich ihnen an, denn auch sie hatten den Schrei gehört und ihre Suche abgebrochen.
Als sie schließlich den übel zugerichteten Leichnam des Soldaten Johnson erreichten, legte sich dumpfes Schweigen über die Gruppe.
Lacroix bertachtete den Ort eingehend, während sich die ersten Soldaten abwandten und sich in den blutigen Schnee übergaben. Johnsons Körper lag auf dem Rücken, sein Brustkorb und Unterleib waren aufgerissen und das Innere nach außen gekehrt, so als hätte jemand in wilder Gier mit einem Spaten in seinen Eingeweiden gegraben. Die Kleidung des Toten hing ihm in Fetzen vom Leib, doch noch schlimmer war sein Gesicht. Seine Augen starrten weit geöffnet in das düstere Nichts des Todes, und sein Mund war zu einem stummen Schrei aufgerissen. Das Grauen hatte ihn bei vollem Bewusstsein heimgesucht. Welch ein schreckliches Ende!
Lacroix erschauerte und bemerkte, dass es Stafford und dem Rest nicht anders erging. Mit einer Ausnahme allerdings: Im Gegensatz zu den Herrschaften der Armee Seiner Majestät wusste er, wer das getan hatte!
„Das war kein wildes Tier ...“, wagte schließlich einer zu sagen. „Das war ein Verrückter, ein geisteskranker Mörder! Und er wird uns alle umbringen, einen nach dem anderen!“
„Schnauze halten!“ Der Lieutenant wischte sich über den Mund. Er war sichtlich angeschlagen. „Niemand rührt etwas an. Ich will, dass der Tatort so bleibt, wie er ist, bis ich ihn untersucht habe!“ Sein Blick durchbohrte jeden einzelnen der Anwesenden und richtete sich dann glühend auf Lacroix.
Der Frankokanadier spürte deutlich, was dieser Blick sagte.
Ich weiß, dass du und dein Freund etwas damit zu tun habt!
Doch Lacroix sah Stafford nicht an, stattdessen knetete er grüblerisch seinen Bart.
„Schicken Sie ihre Männer weg, Lieutenant“, sagte er schließlich, „dann erzähle ich Ihnen, was ich darüber weiß. Auch wenn es Ihnen schwerfällt, Sie müssen mir jetzt vertrauen. Nur dann haben wir vielleicht eine Chance, das Fort lebend zu erreichen.“
Stafford prustete abfällig. „Ihnen vertrauen? Sie machen wohl Witze!“
„Sagen Sie Ihren Männern, sie sollen sich sofort abmarschbereit machen.“
„Sagen Sie mir nicht, was ich zu tun habe! Ich muss erst noch den Leichnam untersuchen. Es könnte wichtig sein.“
„Tun, Sie, was Sie für richtig halten, Lieutenant, aber tun Sie es schnell! Ich werde Ihnen dabei helfen, auch wenn ich Ihnen sagen muss, dass es unnötig ist. Ich weiß nämlich, wer das getan hat!“ Er wies auf den unglückseligen Johnson.
Stafford wollte abermals protestieren, doch Lacroix hob plötzlich den Blick und sah den Lieutenant geradewegs in die Augen. „Er ist da draußen. Und er hat Hunger!“ Lacroix spürte, wie sein Gegenüber erschauerte. Die Schwärze der Angst legte sich in Staffords Pupillen. Endlich schien er den Ernst der Lage zu begreifen. Lacroix nickte langsam. Kurz darauf wandte sich Stafford um und befahl seinen Männern, das Lager abzubrechen und die Pferde klar zu machen. Dann drehte er sich wieder zu Lacroix. „Ich werde jetzt die Leiche und den Fundort untersuchen. Und ich werde mich bemühen, schnell zu sein. Anschließend wickeln wir den armen Teufel in
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