Ondragon - Menschenhunger
Petrowsk in diesem Register. Aber warum? Hatten sie alle etwas gemeinsam, das noch geheimer war, als diese Patienteninformationen? Ondragon blätterte in dem Ordner, fand aber keine weitere Liste. Hm. Rudee hatte ja angedeutet, dass er noch etwas tiefer graben wollte. Also musste er noch etwas Geduld haben. Ondragon öffnete die Mail von Charlize.
Hey Chef,
1.) In Orr gibt es keinen Einwohner namens Jeremy Bates, und es gab auch vorher nie jemanden dort, der so hieß.
2.) Im Zeitraum November 2008 bis März 2009 ist kein Mord in Orr verzeichnet und auch kein Fund einer Leiche, aber dafür eine vermisste Frau: Dana Straub, 55, lebte allein, Alkoholikerin, war verwirrt, sie wurde am 07.03.2009 von ihren Nachbarn als vermisst gemeldet, die Polizei hat mehrere Tage erfolglos nach ihr gesucht. Sie wurde kurz darauf für tot erklärt. Im Bericht des zuständigen Deputy steht: Wahrscheinlich unter Alkoholeinfluss im Wald verirrt und erfroren, Leiche von Dana Straub konnte nicht gefunden werden - eine tragische Verkettung von unglücklichen Umständen.
3.) Die Artikel über Kannibalismus von Dr. Arthur findest du im Anhang.
Das ist bisher alles, was ich via Telefon und Internet herausfinden konnte. Habe mich als Mitarbeiterin der Polizeidienststelle in Pasadena ausgegeben. Die haben nichts gemerkt. Über die Familie Parker habe ich noch nichts herausfinden können, da das zuständige Archiv gestern schon geschlossen hatte. Ich melde mich wieder, sobald ich etwas habe.
Charlize
PS: Ist auch wirklich alles in Ordnung?
Ondragon überlegte und brachte die neuen Informationen in eine Reihe, ließ die Zentrifuge ihre Arbeit tun. Dass es keinen Jeremy Bates in Orr gab, war äußerst seltsam. Vielleicht hatte er dort unter falschem Namen gewohnt. Aber das mit der vermissten Frau könnte zu Vernons Gruselgeschichte passen - zumindest der Arm der Frau. Er musste Deputy Hase unbedingt fragen, ob die Leiche im Wald männlich oder weiblich war. Er schrieb eine Antwort an Charlize.
Vielen Dank, Charlize, gute Arbeit!
Da wären allerdings noch ein paar Fragen zu klären: Zu 1.) Ich habe herausgefunden, dass „Jeremy Bates“ in der King Road 33 in Orr gewohnt haben soll. Ruf doch bei der Adresse oder bei den Nachbarn mal an, und frag nach, ob er dort unter dem oder einem anderen Namen abgestiegen ist. Im Anhang findest du ein Foto von Bates und noch einige andere Informationen. Zu 2.) Wie hieß der Deputy, der den Bericht unterzeichnet hat?
Gruß, Paul
PS: Das Ganze hier ist ein Alptraum: Absolute Langeweile und es ist alles verboten, was Spaß macht, zu allem Überdruss läuft draußen im Wald noch ein verrücktgewordener Bär rum, der Menschen frisst. Du siehst also, es ist alles in bester Ordnung.
Nachdem er die Mail abgeschickt hatte, sah Ondragon auf die Uhr. Es war noch genug Zeit, bis Deputy Hase hier eintreffen würde. Also öffnete er den ersten Artikel von Dr. Arthur über Kannibalismus und begann zu lesen.
Um kurz vor halb elf schloss er die Datei, steckte das Telefon in die Hosentasche und sann über die schockierenden Berichte nach, die er soeben gelesen hatte. Wahrlich schwere Kost! Demnach wurde Kannibalismus, auch Antropophagie genannt, in der Psychiatrie als eine nur schwer therapierbare psychische Störung angesehen, die vorwiegend bei Männern auftrat. Dabei wurde der religiöse Kannibalismus primitiver Völker außer Acht gelassen und auch der medizinische Aspekt, Menschenfleisch zu essen, den es in Europa vom Mittelalter bis in die Neuzeit gegeben hat. Hierfür wurden Leichenteile zu heilenden Pülverchen zermahlen und gegen alle möglichen Krankheiten und Gebrechen eingenommen.
Hmm, lecker, dachte Ondragon, an was man damals alles geglaubt hat. Aber mit so etwas beschäftigte sich Dr. Arthur hier in der CC Lodge hoffentlich nicht. Leichenpulver gegen Geisteskrankheiten - selbst das war im Laufe der Geschichte der Menschheit schon ausprobiert worden.
Laut der Unterlagen, die Ondragon vorliegen hatte, umfasste Dr. Arthurs Spezialgebiet offiziell den Kannibalismus in Extremsituationen, wie zum Beispiel in Hungersnöten oder bei Flugzeugabstürzen in unwirtlichen Regionen, und dem kriminellen Kannibalismus, der in vier Gruppen unterteilt wurde:
1) Sexueller Kannibalismus: beim Essen von Menschenfleisch werden sexuelle Fantasien beflügelt
2) Aggressions-Kannibalismus: die am häufigsten auftretende Form, bei der es vorwiegend um Ausübung von Kontrolle und Macht geht, aber auch um Rache und
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