Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
abtrennte. Ondragon schaltete den Computer aus. Er kannte seine Aufgabe. Mal sehen, ob sich das bei Charlize auch so verhielt. Er wählte ihre Nummer.
„Ja, Chef?“, meldete sie sich.
„Wollte nur mal hören, ob bei dir alles klar ist?“
„ Hai , alles im Griff.“
„Schaffst du das mit der Kriminaltechnikerin?“
„Na hör mal, Chef! Hab ich jemals eine Tarnung vermasselt?“
„Ich ziehe meine Frage zurück. Du schaffst das schon“, entgegnete er. Charlize hatte schließlich eine gewisse Ahnung von kriminaltechnischen Analysen. Es war Teil ihres Handwerks, das sie für Ondragon Consulting ausübte. Allerdings war sie eher darauf spezialisiert, keine Spuren zu hinterlassen, als welche aufzuspüren.
„Zum Glück haben mir die Doitsu-jin die Identität einer Laborratte gegeben. Stell dir vor, sie hätten mir einen Doktortitel in deutscher Geschichte verpasst.“ Sie kicherte. „Wäre schon peinlich, so ohne ein Wort Deutsch zu sprechen.“
„Ich glaube, ich spendier dir mal einen Sprachurlaub“, sagte Ondragon scherzhaft.
„Oh, ja. München im Herbst fänd ich schön! Ich wollte schon immer mal ein Dirndl tragen.“
Ondragon schnaubte. „Die deutsche Kultur besteht nicht nur aus Dirndl und Oktoberfest!“
„Ich weiß, aber ein wenig spießig seid ihr schon.“
„Willst du etwa sagen, ich sei spießig?“
„Nun, du hast gewisse Ansätze, Chef. Aber du bist nichts gegen das blonde Drachenfräulein. Die ist obernervig!“
„Charlize, konzentrier dich auf deinen Auftrag, ja? Über Frau Ritter kannst du dich später auslassen.“
„Frau Ritter! Wie du das sagst. Stehst wohl auf sie? Für meinen Geschmack ist Fräulein Dobermann viel zu dürr.“
Charlize war tatsächlich eifersüchtig, dachte Ondragon amüsiert. Er schaute aus dem Fenster. Draußen wich das letzte Abendrot einer weiteren schwülen Nacht. Irgendwie fühlte er sich durch ihre Reaktion geschmeichelt.
„Was ist? Du sagst ja gar nichts mehr“, hörte er Charlize durch das Telefon fragen.
„Ach, ich hatte gerade ein paar romantische Gedanken.“
„Romantisch? Doch nicht etwa mit dem dürren Besen …“
„Ach, meine liebe Charlize, du weißt doch, ich steh auf Dunkelhaarige.“
„ Sō desu ka – wirklich?“ Schweigen folgte, ob nun erleichtert oder nicht, das würde er vermutlich nie herausfinden.
„Okay, wir sehen uns morgen um halb sieben“, sagte er wieder ernst. „Ich hole dich auf dem Weg zum Hafen ab.“
„ Hai . Gute Nacht!“
„Gute Nacht, Sweetheart!“ Er legte auf.
7. Kapitel
21. Mai 2011 Fortaleza, Brasilien 6.00 Uhr
Am nächsten Morgen frühstückte Ondragon auf dem Zimmer. Da man ihm allein schon wegen seiner Körpergröße von über 1,90 sofort ansehen konnte, dass er ein Gringo war, ließ er sich seinen Dreitagebart stehen und zog sich möglichst ungepflegt an, um wenigstens von den fliegenden Händlern in Ruhe gelassen zu werden. Eine schlabbrige, schwarze Trainingshose mit Löchern am Knie, ein fleckiges Shirt ohne Ärmel und eine dunkle Ghettowollmütze mussten es tun, um ihn in einen Strandpenner zu verwandeln, der mittellos in Fortaleza hängengeblieben war. In dieser Verkleidung konnte er sich zur Not auch durch die Favelas schlagen, ohne dass bei den Gangs gleich die Alarmglocken ansprangen; bei einem ausländischen Alki ohne Geld gab es eh nichts zu holen. Die Pistole steckte er sich vorn in den Hosenbund, das Ersatzmagazin in die Tasche und das Messer klebte er sich mit Tape an die linke Wade. Er stellte sich vor den Spiegel, prüfte sein Aussehen und tat so, als hätte er in paar Flaschen Zuckerrohrschnaps intus. Ja, so war es gut. Mit hängenden Schultern und mit leicht vornübergebeugtem Oberkörper wirkte der Grad des Deliriums überzeugend genug, um unbehelligt zu bleiben, und außerdem war auf diese Weise die Pistole nicht zu erkennen.
Ondragon stopfte das Netbook, das Satellitentelefon und einige andere Dinge in den Rucksack, schlüpfte in ein sauberes Hemd und zog sich die Mütze vom Kopf. Die wollte er sich erst wieder aufsetzten, wenn er draußen war. Um diese frühe Uhrzeit lag die übliche Klientel des Hotels zwar noch verkatert in ihren Betten, aber er musste trotzdem sicherstellen, dass er das Gebäude verlassen und später wieder betreten konnte, ohne für einen Obdachlosen gehalten zu werden, denn den würde man mit Sicherheit in einem großen Bogen hinauskatapultieren.
Unbehelligt erreichte er die Tiefgarage und fand in einer dunklen Ecke den Corolla. Er warf
Weitere Kostenlose Bücher