Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
den Rucksack auf den Beifahrersitz und setzte sich hinters Steuer. Der Wagen sprang ohne Probleme an und Ondragon fuhr los. Draußen herrschte das pastellfarbene Zwielicht eines bewölkten Morgens. Es war kaum Verkehr auf den Straßen und so erreichte Ondragon Charlizes Appartementhotel in wenigen Minuten. Er wendete und parkte den Wagen einen halben Kilometer entfernt am Randstein. Danach sah er sich noch einmal um – eine gute Orientierung war die halbe Miete. Anschließend holte er den Rucksack aus dem Auto und machte sich zu Fuß auf den Weg zu Charlize. Sie erwartete ihn aufbruchsbereit im Foyer. Ondragon staunte nicht schlecht, als er sie sah und schämte sich, weil er vorgehabt hatte, sie zu kontrollieren. Aber ihr Outfit beruhigte ihn und brachte ihm einmal mehr in Erinnerung, dass auch Charlize ein Profi war.
Lächelnd trat er ihr entgegen.
„Und?“, fragte sie ein wenig bissig. „Ist alles genehm?“
„Frau Doktor sieht perfekt aus!“ Das tat sie wirklich. Charlize war die Verkörperung einer Kriminaltechnikerin schlechthin. Die Haare zu einer schrecklich normalen Frisur zurückgesteckt, eine schwarze Hornbrille auf der Nase, dezentes Makeup und zur Abmilderung des Klischees (und genau das war die hohe Kunst bei der Erschaffung einer glaubwürdigen Verkleidung) nicht etwa einen strengen Hosenanzug, sondern einen grauen Sweater und eine Jeans. Dazu noch eine Handytasche am Gürtel und einen nerdigen Freisprechclip, den sich sonst nur Idioten ans Ohr klemmten. Aber er verbarg das Earpiece, mit dem Charlize am Operations-Funk teilnehmen würde. Das Sahnehäubchen ihres Outfits war der von den Schlechtigkeiten dieser Welt abgehärtete Blick. Voilà, fertig war der Typ Mensch, der sich nur in seinem Labor zwischen den Pröbchen und Stapeln von Auswertungsdiagrammen wirklich wohlfühlte. Selten eitel, aber dennoch äußerst penibel veranlagt und besonders vernarrt in technische Gimmicks.
Apropos.
„Und wo ist die Kamera?“, wollte Ondragon wissen.
Charlize zeigte auf die Brille. „Das Mikro dazu befindet sich in einer meiner Haarspangen. Sehr geschickt, wenn man bedenkt, dass ich vor Ort höchstwahrscheinlich einen Kittel tragen werde. Da hätte eine Kamera im Knopfloch oder in der Gürtelschnalle nichts gebracht.“
Ondragon nickte anerkennend. Das musste er dem BND lassen, sie hatten tatsächlich nicht nur Akten geführt, sondern auch nachgedacht. „Okay“, sagte er, „du lässt dich jetzt mit dem Taxi zum Haupttor am Hafen fahren, aber bevor du reingehst, steckst du dir noch eine Zigarette an und siehst dich ein wenig um. Du wirst den Van von Ritter und Steiner dann schon sehen. Nach dem Mikro- und Kameratest gehst du rein und lässt dich dort als neue Labor-Mitarbeiterin registrieren. Ich komme zu Fuß nach. Während du drin bist, beziehe ich Posten in dem eingestürzten Haus. Falls es erforderlich sein sollte, werde ich eine Runde um den Block drehen, bei der ich so tun werde, als lungere ich herum. Alles klar?“
Charlize hob eine Faust. „ Ganbare masu – ich gebe mein Bestes!“
Ondragon hob ebenfalls eine Faust und stieß damit gegen die seiner Assistentin. „ Ganbare! “
Danach wartete er, bis Charlize aus der Tür war, und kleidete sich draußen neben dem Gebäude hinter einer Mülltonne um. Wenige Minuten später torkelte er als Strandpenner in Richtung Hafen. Als er in die Avenida Vicente de Castro einbog, konnte er aus der Ferne Charlize vor dem Haupttor stehen und rauchen sehen. Beinahe im selben Augenblick meldete sich Agentin Ritter über den kleinen Knopf in seinem Ohr.
„Test! Test! Position 3, können Sie mich verstehen?“, fragte sie auf Englisch.
„Klar und deutlich!“, antwortete Ondragon und fragte: „Position 2, kannst du mich hören?“
„Jepp!“, hörte er Charlize und grinste. Er wusste, dass sie nicht viel von Funkdisziplin hielt und dachte, dass Ritter und Steiner mit der Ausdrucksweise seiner Assistentin noch so ihr Vergnügen haben würden. Aber da die meiste Kommunikation zwischen Charlize und dem brasilianischen Untersuchungsteam auf Portugiesisch ablaufen würde, gab es eh nicht viel mitzuhören, denn er glaubte nicht, dass die beiden BND-Agenten in dieser Sprache besonders gut bewandert waren. Er selbst verstand sinngemäß, was gesprochen wurde, und hatte mit Charlize einige Codewörter vereinbart. „Mann, ist das heiß hier“, war eines davon und stand für „Brauche Hilfe! Sofort!“
„Ich geh jetzt rein!“, sagte Charlize in seinem
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