Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
krampfartig zusammen. Die nächste halbe Stunde rührte er sich nicht, und schließlich war der Film zu Ende.
Ondragon sprang zu der nächsten Datei, und sie beobachteten, wie sich nach einer weiteren ereignislosen Viertelstunde die Tür zu der Zelle öffnete und eine blonde Frau mit weißem Kittel erschien. Es war die Tote aus der Kantine, erkannte Ondragon, die mit dem Skalpell in der Brust. Sie trat an die Pritsche, drehte Etienne auf den Rücken und legte ein Stauband um seinen Oberarm. Danach nahm sie ihm zwei Ampullen Blut ab und schob ihm ein Infrarot-Thermometer ins Ohr. Sie notierte sich die Temperatur auf einem Klemmbrett und horchte Herz und Lunge des Probanden ab, der die ganze Prozedur gleichgültig über sich ergehen ließ. Anschließend verschwand sie aus dem Bild und bis zum Filmende tat sich nichts mehr.
Ondragon wählte eine neue Datei an. Diesmal eine vom Tag des Erdbebens. Lab-III-IsoBox-01-Jan-12-2010-800-900. Noch war alles ruhig in dem Labor.
Die Pritsche mit Etienne Dadou erschien auf dem Bildschirm. Reglos lag der Mann da. Seine Haut hatte eine seltsam graue Färbung angenommen und an seinem Hals waren beulenartige Ausstülpungen gewachsen. Weiterhin geschah nichts. Bei 8.13 Uhr ging die Tür auf und die blonde Frau im Kittel erschien. Sie fühlte Etiennes Puls an mehren Stellen und leuchtete dann in eines seiner Augen. Kopfschüttelnd und mit hängenden Schultern sah sie eine Weile auf ihn herab. Dann drehte sie sich um und machte eine winkende Handbewegung. Zwei Männer in schwarzen Uniformen wie die von Sicherheitsangestellten kamen in die Zelle. Sie verfrachteten den offenbar toten Dadou auf eine Bahre und trugen ihn aus dem kleinen Raum. Das Bild wurde wieder starr und zeigte lediglich die leere Pritsche. Das Einzige, das sich noch bewegte, war die digitale Uhrzeit.
„Wie kann das sein?“, fragte die Madame, als der Bildschirm schwarz wurde. „Wir haben Dadou doch gesehen, lebend. Das verstehe ich nicht.“
„Ich nehme an“, antwortete Ondragon, „sie haben gedacht, er sei tot, und haben ihn aus dem Labor an die Oberfläche geschafft, wo sie seine Leiche beseitigen wollten. Womöglich haben sie das mit all den anderen auch so gemacht und sie einfach in den Wald geworfen. Die Aasfresser haben dann den Rest erledigt. Waren ja genug Geier da.“
„Diese Dreckskerle!“, empörte sich die Madame. „Wie Abfall haben sie die Leichen entsorgt!“
„Tja, armselig. Und dämlich. Wahrscheinlich haben sie Etienne über den Zaun geworfen und dort liegen lassen. Aus irgendeinem Grund ist er wieder in die Welt der Lebenden zurückgekehrt und hat als Halbwahnsinniger die Gegend unsicher gemacht. Wie passend für Darwin Inc., dass zuvor die Priesterin von Nan Margot das Zombie-Märchen in die Welt gesetzt hat. So gab es sogar für solche Schlampereien eine tolle Erklärung.“ Ondragon wählte die letzte Datei aus. Er spulte zu dem Punkt vor, an dem die Digitalanzeige 16.50 Uhr anzeigte. Drei Minuten lang starrten sie das Bild mit der leeren Pritsche an. Dann begann der Raum plötzlich zu erzittern, immer heftiger, bis die Pritsche einen Satz durch die Zelle machte und gegen die Tür stieß. Weiße Störungslinien durchschnitten das Bild, bevor der Bildschirm in stummes Schwarz getaucht wurde.
16.54 Uhr. Nach den Beben!
Unangenehm berührt schaute die Madame Ondragon an. „Ich wünschte, ich hätte das nie gesehen.“
„Das wünsche ich mir auch manchmal, aber diese Welt ist eben kein Wohltätigkeitsball!“, entgegnete er hart und zog den USB-Stick aus dem DVD-Player. Er wählte einen neuen aus und steckte ihn in den Port. „Sind Sie bereit, oder möchten Sie gern rausgehen, solange wir das Material sichten?“
Die Madame verschränkte trotzig ihre Arme vor der Brust. „Ich bleibe!“
„Nun gut.“ Ondragon wählte eine Datei mit der Bezeichnung 0-12. Der Bildschirm des Fernsehers wurde kurz weiß, und dann baute sich ein farbiges Bild auf.
Üppiges Grün.
Vogelgezwitscher.
Der Wipfel eines Baumes.
Eine mächtige Sumpfeiche mit ausladenden Ästen.
Ondragon runzelte die Stirn. Das kam ihm bekannt vor. Er spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Da war nichts Gutes im Anmarsch … Und als er schließlich sich selbst erkannte, wie er in schmutzigen Klamotten und mit gerötetem Gesicht auf einem Ast hing und laut fluchend mit seinem Gürtel nach etwas angelte, brach ihm schlagartig der Schweiß aus allen Poren. Das waren die Aufnahmen von seiner Sumpf-Odyssee! Die, von
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