Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
als Ondragon die Tür anhob und mit seiner Lampe in das schwarze Loch leuchtete.
„Das simpelste Versteck seit Anbeginn der Menschheit!“, sagte er und ließ seine Beine in die Dunkelheit hinunterbaumeln. „Ich glaube, wir haben den secret room gefunden.“
Mit der Lampe zwischen den Zähnen tauchte Ondragon ab. In dem niedrigen, von Stützpfeilern durchzogenen Hohlraum fand er ein kleines Warenlager vor, das dem Inventar der anderen secret rooms in nichts nachstand: Waffen in Alukoffern, Munition, diverse Ausrüstungsgegenstände und zwei schwarze Sporttaschen. Ondragon kroch durch den Staub zu ihnen hinüber, öffnete eine davon und fand, wonach er gesucht hatte. Ein gefälschter Reisepass von Stern und ein Führerschein lagen obenauf. Darunter befanden sich Geldbündel, Papiere und Mappen mit dem Logo von Darwin Inc., durchsichtige Plastikboxen mit einem Dutzend USB-Sticks darin und kleine Tütchen mit Maiskörnern. Er öffnete die andere Tasche. Ihr Inhalt war identisch, bis auf den Unterschied, dass der Reisepass das Foto von Ellys trug. Die beiden Mailmen hatten vorgesorgt und sich jeder ein kleines Sicherheitspaket geschnürt.
Ondragon nahm beide Taschen und hievte sie aus dem Versteck ins Wohnzimmer, wo Rod, Green und die Madame sie in Empfang nahmen. Dann schob er noch einen länglichen Metallkoffer hinterher, stieg aus dem Versteck und wischte sich die Spinnenweben aus dem Gesicht.
„Hübscher Fang!“, sagte Rod, als er in die Taschen schaute. „Und was ist das?“ Er deutete auf den Koffer.
„Mein Präzisionsgewehr. Die Aasgeier haben es mir damals aus dem Kofferraum geklaut!“ Beinahe liebevoll strich Ondragon über den Koffer, nahm dann eine der kleinen Plastikboxen aus der Tasche und trug sie zu dem Fernseher. „Dieser DVD-Player hat auch einen USB-Port. Mal sehen, was auf den Sticks drauf ist.“ Er steckte den ersten in den Player und wartete, bis das Gerät die Daten gelesen hatte. Der Bildschirm des Fernsehers wurde blau und eine Liste mit Dateien tauchte auf:
Lab-III-IsoBox-01-Jan-11-2010-1200-1300
Lab-III-IsoBox-01-Jan-11-2010-1300-1400
Lab-III-IsoBox-01-Jan-11-2010-1400-1500 usw.
Ondragon wählte den ersten Film an, von dem er vermutete, dass er von einer Überwachungskamera aus dem unterirdischen Labor stammte, und das Blau der Benutzeroberfläche verschwand. Stattdessen liefen flimmernde Linien über den Bildschirm und ein Bild in schwarz-weiß erschien. Obwohl auf der Aufnahme andere Lichtverhältnisse herrschten, erkannte Ondragon den gefilmten Raum wieder. Es war das Innere einer der Zellen des Versuchstraktes in Labor III, in dem er die toten Ratten und Affen gefunden hatte. Die Zelle war hell erleuchtet, und ein abgemagerter, dunkelhäutiger Mann lag auf der Pritsche.
„Etienne Dadou“, hauchte die Madame überrascht.
Ondragon nickte. Der Mann dort in der Zelle war eindeutig der Vater von der kleinen Christine. Nun gab es keinen Zweifel mehr daran, dass die Mitarbeiter des geheimen Darwin-Labors Versuche an ihm durchgeführt hatten. Ondragon fielen die digitalen Ziffern auf, die am unteren linken Bildrand mitliefen. 11. Januar, 12.01 Uhr. Also der Tag vor dem großen Erdbeben.
Gebannt schauten alle vier auf den Bildschirm. Zuerst tat sich nichts in der Zelle. Einem dürren, dunklen Embryo gleich lag Etienne Dadou auf der Pritsche, ohne sich zu rühren. Ondragon spulte vor. Das Bild blieb unverändert fast wie bei einem Standbild, nur dass die Ziffern weiterliefen. Um 12.30 Uhr ging endlich eine Veränderung vor. Ein flacher, eckiger Gegenstand schob sich auf dem Fußboden in Richtung der Pritsche. Es war ein Tablett mit einer undefinierbaren Masse und einem Becher mit Flüssigkeit darauf.
„Sieht aus wie Kartoffelbrei“, sagte Rod.
„So ähnlich. Das ist mit Sicherheit Brei aus dem Mais, den sie dort unten züchten. Dem DWIN 411-Crypt. Die Rettung der Welt!“, bemerkte Ondragon sarkastisch. „Sie haben ihren Probanden das Zeug zu essen gegeben und überprüft, ob es negative Auswirkungen auf den menschlichen Organismus hat.“
Rod schnalzte missbilligend mit der Zunge, als er sah, wie Etienne Dadou sich auf seine dünnen Beine mühte, das Tablett zu sich heranzog und mit den Händen zu essen begann. Danach ließ er sich wieder kraftlos auf die Pritsche zurücksinken und legte sich auf die Seite. Sein Gesicht wirkte eingefallen, und immer wieder schien es, als müsse er husten oder seine Kehle von zu viel Schleim freibekommen, denn sein Körper zuckte
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