Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
können?“
„Du wirst nicht glauben, was ich gesehen habe, zuerst wollte ich es ja selbst kaum glauben!“
„Raus damit, Charlize. Spann mich nicht unnötig auf die Folter!“
„ Yossha, Chef!Man sieht zuerst dich, wie du das Zimmer betrittst und wenig später wieder rauskommst mit einem Aktenkoffer in der Hand. Dann kommt für Stunden nichts. So gegen ein Uhr nachts geht die Zimmertür auf und Bolič kommt heraus. Aber er sieht ganz merkwürdig aus.“
„Wieso merkwürdig?“, fragte Ondragon alarmiert.
„Er ist blass wie eine frisch gekalkte Zaunlatte und wankt, als hätte er mächtig einen im Kahn! Kann sich kaum auf den Beinen halten. Er torkelt zum Lift und fährt nach unten. Und jetzt geschieht das Mysteriöse. Ich habe mir auch die Aufnahmen aus der Lobby angeschaut. Eine Kamera war so ausgerichtet, dass man durch das Glas der Drehtür auf die Einfahrt des Hotels blicken konnte. Bolič wankt vom Fahrstuhl auf die Tür zu und verfängt sich dort. Er dreht mehrere Runden in der Tür wie ein Irrer, schlägt immer wieder mit Fäusten auf das Glas ein und schreit dabei, als hätte er das Prinzip einer Drehtür nicht kapiert. Das alles geschieht offensichtlich unbemerkt von der Nachtwache an der Rezeption, denn niemand kommt ihm zu Hilfe. Nach mindestens einem Dutzend Umdrehungen findet er endlich den Ausgang und bleibt draußen abrupt stehen. Und jetzt kommt‘s: Vor der Tür steht wie aus dem Nichts eine dunkle Gestalt. Man kann sie leider nicht gut erkennen, das Gesicht ist im Schatten. Aber eines sieht man ganz deutlich: Der Typ trägt einen schwarzen Frack und einen Zylinder!“
Ondragon lachte verblüfft auf. „Einen Zylinder? Was soll das denn? War das ein später Hotelgast, der von einer Hochzeit kam?“
„Ich glaube kaum, denn Bolič hat sich vor ihm verneigt und ist dann zusammen mit ihm gegangen. Sie sind ganz eindeutig gemeinsam verschwunden.“
Ondragons Gedanken überschlugen sich. „Sind Boličs Sachen immer noch in dem Zimmer? Wie lange hat er das überhaupt gebucht? Ist sein Verschwinden mittlerweile aufgefallen?“
„Auch das habe ich überprüft, Chef. Seine Sachen sind noch immer da und die Reservierung läuft für insgesamt zehn Tage. Quasi bis übermorgen. Dementsprechend ist sein Verschwinden im Hotel noch nicht bekannt.“
„Äußerst sonderbar“, murmelte Ondragon und versuchte, Charlizes Beobachtungen in eine Reihe mit seinen eigenen zu bringen. Ein Mann, den er zuvor für tot befunden hat, steht Stunden später wieder auf. Offenbar sturzbetrunken lässt er seine Sachen im Zimmer zurück und trifft sich mit einem anderen Mann, der einen Zylinder trägt. Beide verschwinden. Das war vor zwei Tagen in Tucson. Heute taucht Bolič, oder zumindest ein Mann, der ihm verdammt ähnlich sieht, in New Orleans auf. Auch er wirkt weggetreten. Was hatte das zu bedeuten?
„Chef?“
„Ja?“
„Was soll ich jetzt tun? Hier läuft doch nichts mehr.“
„Setz dich in den nächsten Flieger nach Miami und suche dort einen gewissen Alejandro Green auf. Ich schicke dir noch seine Kontaktdaten. Er gehört zu der Crew, der auch Tyler Ellys und Sylvester Stern angehörten. Ich habe Stern heute tot in seinem Haus aufgefunden. Er sah genauso aus wie Bolič, und ich befürchte, dass Green dasselbe blüht, wenn es nicht schon zu spät ist, denn ich kann ihn nicht erreichen. Ich hänge leider noch etwas länger hier in New Orleans fest.“
„Gehst du etwa fremd, Paul- san ?“
Ondragon lächelte. „Eifersüchtig?“
„Nicht im Geringsten. Eine Stadt im Sumpf kann einer kalifornischen Beautyqueen nicht das Wasser reichen!“
„Wo du recht hast, hast du recht, Charlize“, er wurde ernst. „Sei in Miami bitte vorsichtig. Hier treibt jemand ein ganz übles Spiel.“
„ Hai , Paul- san .“
Er legte auf und fuhr sich durchs nasse Haar. Ein prüfender Blick in den Spiegel bestätigte die Verwerfung von Sorgenfalten in Form des Sankt-Andreas-Grabens auf seiner Stirn. Ansonsten sah er passabel aus. Sein dunkler Haaransatz wies trotz seiner angebrochenen vierten Lebensdekade kaum graue Einsprenkelungen auf und seine Gesichtshaut war – bis auf die Sorgenfalten auf der Stirn selbstverständlich – recht straff. Die kalifornische Bräune unterstrich seine grünen Augen und gab ihm etwas Jungenhaftes, das er gerne einsetzte, wenn es darum ging, das andere Geschlecht zu bezirzen. Alles in allem war es eine ansehnliche Ausstattung, die vorzüglich dazu taugte, einen netten Abend in The Big
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