Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
der Bühne und zogen sich danach in den Hintergrund zurück. Es wurde still im Publikum.
Erwartungsvoll schauten die Gäste auf den Vorhang. Ein leichter Trommelrhythmus setzte ein, und der violette Stoff schob sich zur Seite. Hervor trat eine geschmeidige, barfüßige Gestalt in einem grünen Rüschenkleid mit weitem Ausschnitt.
Das Grün versetzte Ondragon einen plötzlichen Stich der Erinnerung. War er doch schon einmal einer faszinierenden Dame in dieser Farbe begegnet. Ein schicksalshaftes wie tödliches Erlebnis! Kateri, seine schöne Jägerin …
Seine Aufmerksamkeit kehrte in die Gegenwart zurück, als die Frau auf der Bühne sich im Takt zu wiegen begann. Ihre schlangenhaften Bewegungen fesselten den Blick der Zuschauer. Immer schneller wurde der Rhythmus, und auch Ondragon folgte wie gebannt ihrer Performance.
Die Tänzerin – ohne Zweifel war es Madame Tombeau – öffnete leicht die Lippen und verdrehte in Ekstase die Augen so weit nach oben, dass nur das Weiße zu erkennen war. Sie warf den Kopf mit den offenen Haaren in den Nacken und tanzte obszön zuckend über das Podium.
Ondragon merkte, dass das Publikum in eine spürbare sexuelle Erregung versetzt wurde. Auch er selbst war davor nicht gefeit. Der Tanz der Schlangenfrau wurde schneller und wilder, immer wieder wurde sie von ihren Gehilfinnen mit einer klaren Flüssigkeit aus dem Tonkrug besprengt. Der scharfe Geruch von Alkohol drang Ondragon in die Nase und die aufregende Note eines exotischen Moschusduftes. In beinahe spasmischen Konvulsionen warf die Tänzerin jetzt ihre Hände immer abwechselnd in die Luft und um ihren Leib, so als sehne sie sich nach der Berührung eines Liebhabers, dabei drang ein lustvolles Stöhnen aus ihrer Kehle. Stimuliert von der erotisierenden Vorführung wiegte sich das Publikum auf seinen Plätzen mit.
Ondragon beobachtete, wie der in Trance tanzenden Priesterin das Huhn gereicht wurde. Sie nahm den Kopf des Vogels zwischen die Zähne, ihr Blick war in eine andere Dimension gerichtet. Unvermittelt wurden der Trommelrhythmus und ihre Bewegungen ruhiger, nur um wenige Augenblicke später umso heftiger wieder einzusetzen. Als Ondragon begriff, dass die Priesterin dem Huhn mit ihren bloßen Zähnen den Kopf abgebissen hatte, zappelte das kopflose Tier schon in den Händen einer Gehilfin, die es in die Schale ausbluten ließ.
Mit blutverschmiertem Gesicht tanzte Madame Tombeau weiter und nahm in ihren Drehungen und Windungen noch an Geschwindigkeit auf. Unauffällig trat ihre zweite Gehilfin hinter sie, bückte sich und zog eine hölzerne Abdeckung von einer versteckten Öffnung im Bühnenboden. Das Viereck schien mit Wasser gefüllt zu sein, denn Ondragon konnte sehen, wie auf der silbrigen Oberfläche das Licht der Kerzen reflektiert wurde.
Der wirbelnde Trommelrhythmus erreichte seinen Höhepunkt, und mit einem Schrei ließ sich die Priesterin in den Pool fallen. Nach dem lauten Platschen erfüllte atemlose Stille den Raum, und es dauerte zwei Minuten, bis ein leises Plätschern ertönte und der Kopf der Voodoo-Priesterin über dem Rand des Pools erschien. Schlängelnd schob sie sich aus dem Wasser, wand sich einer Schlange gleich über den Bühnenboden und durch das Pulverbild. Das Kleid klebte an ihrem schlanken, mit Mehl bestäubten Körper. Sie wälzte sich auf den Rücken, dabei verrutschte der Ausschnitt ihres Kleides und gab den Blick auf ihre Brust frei.
Ondragon fühlte elektrisierende Erregung in sich prickeln. Verstohlen sah er sich um. Dem Publikum schien es ähnlich zu ergehen. Ein Raunen ging durch die Reihen, und hier und dort griff eine Hand verstohlen unter dem Tisch nach nackter Haut. Allmählich wurde der Tanz der Priesterin langsamer und schwerfälliger. Träge rollte sie von einer Seite auf die andere, bis sie schließlich still auf dem Rücken zum Liegen kam. Ihre Brust hob und senkte sich unter der vorangegangenen Anstrengung. Nach einer Weile traten die beiden Gehilfinnen an sie heran und halfen ihr auf die Beine. Madame Tombeau richtete ihren Blick in das Publikum – er war überraschend klar und von durchdringender Kraft. Befriedigt strich sie sich über Hals und Brust. Gänsehaut überzog ihre dunkle Haut, von der das Wasser abperlte wie kleine Diamanten. Mit einem tiefgründigen Lächeln in Ondragons Richtung streifte sie sich den Ausschnitt wieder über ihre Blöße. Und während er sich kaum von ihrem entzückenden Anblick losreißen konnte, stellten sich an die zwanzig
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