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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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werdendes Geräusch schluckte das Hallo von zwei Typen in verschwitzten T-Shirts vor einer Maschine, die im Sekundentakt Flyer ausspuckte.
    »Das ist unsere Druckerei«, rief Kyoti über den Lärm hinweg. »Wir können bis zu zweihunderttausend Flugblätter pro Tag herstellen und an unsere Außenstellen weiterleiten. Funktioniert besser als vermutet. Papier können die Leute nicht so einfach wegklicken. Hauptsache, die Überschrift macht neugierig.« Er nahm eins der Blätter und hielt es Samuel vor die Nase. Samuel musste grinsen. Da stand die Lösung. NUR FÜR VERRÜCKTE.
    »Was ist?«, fragte Kyoti. »Gefällt dir die Headline?«
    »Ja. Die … die ist außergewöhnlich.«
    Unter dem Spruch glänzte ein silberner QR-Code und eine Internetadresse.
    »Dahinter verbergen sich der Trailer für ein Spiel, der Zugangscode und die erste Aufgabe«, sagte Kyoti und starrte auf den Flyer, als würde er ihn zum ersten Mal sehen. »Sind die Leute erst mal angefixt, vergehen meist nur wenige Tage, bis sie richtig einsteigen.«
    Samuel hörte nur mit halbem Ohr zu, nickte aber trotzdem. QR-Codes erinnerten ihn immer an Labyrinthe, die man aus der Vogelperspektive aufgenommen hatte. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, ob es einen Ausgang gab oder alle Wege in eine Sackgasse führten.
    »Ein tolles Zitat von einem großartigen Denker«, sagte Kyoti beinahe ehrfürchtig. »Jeden Tage wählen sich Tausende ein. Die Macht der richtigen Worte ist zeitlos.« Behutsam legte er den Flyer zurück auf den Stapel und ging weiter. Samuel suchte vergeblich Blickkontakt zu Fabienne. Sie machte einen angespannten Eindruck. Vielleicht stellte sie sich dieselbe Frage wie Samuel: Warum sollte sie ihm die Augen verbinden, wenn ihr Freund jetzt fröhlich aus dem Nähkästchen plauderte?
    Sie bogen um die Ecke. Kyoti blieb vor einer schweren, zweiflügeligen Stahltür stehen und drehte sich um. »Das Internet ist verseucht. Es transportiert die falschen Informationen zu den Menschen. Es generiert für jeden User eine eigene, angepasste Wirklichkeit und filtert Daten, entscheidet selbstständig zwischen wichtig und unwichtig, darum kapieren die Menschen nicht mehr, was um sie herum geschieht. Auch deshalb benutzen wir diese veralteten Medien, um unsere Botschaft zu verbreiten.«
    Kyoti lachte gekünstelt, wurde dann aber schlagartig ernst. Vielleicht hatte sich Samuel in seinem Alter getäuscht. Diese Fältchen um seine Augen … Schlanke Menschen in Chucks und T-Shirt wirkten immer jünger als gesetzte Geschäftsleute mit Bauchansatz.
    »Sogar die Nachrichten werden den jeweiligen Interessen angepasst. Und es wird nur das gezeigt, was die Redaktionen für wichtig befinden. Die Wirklichkeit muss man sich mühsam zusammenstückeln. Aber die Leute, die daran etwas ändern könnten, sind zu träge. Sie haben verlernt, solidarisch zu sein. Vor allem die Älteren.« Kyoti hielt sein Handgelenk vor eine silberne Scheibe neben der Tür und ein Flügel schwang automatisch nach innen. Samuel meinte, den Geruch frischen Betons wahrzunehmen. »Man muss sie mit allen Mitteln dazu zwingen, sich uns anzuschließen«, fuhr Kyoti fort und erntete dafür einen seltsamen Blick von Fabienne. Vielleicht aus Ehrfurcht oder Bewunderung. In dem engen Vorraum, den sie betreten hatten, war es zu düster, um das zu erkennen. Anders verpackt hatte sie diesen Satz heute selbst schon mal gesagt. Aus ihrem Mund hatte er jedoch nicht ganz so aggressiv geklungen.
    Durch eine gesicherte Schleuse betraten sie einen Raum, der an die Schaltzentrale der NASA erinnerte. Das Deckenlicht war gedämpft. Das Rauschen unzähliger Lüfter lag wie ein Teppich unter dem Klackern beleuchteter Computertastaturen. Ein Gewirr aus unterschiedlichen Sprachen und Dialekten verbreitete die Atmosphäre einer internationalen Nachrichtenredaktion. Über den Boden zogen sich armdicke Kabelstränge, die sich wie ein Flussdelta auffächerten und in ein Meer aus summenden Towern mündeten. Kyoti hielt hinter einem Mädchen mit raspelkurzen Haaren an. Sie trug ein Tanktop und ihre Unterlippe war gepierct. Über ihren rechten Unterarm zog sich eine Tätowierung: eine Schlange mit vier Augen, drei Fußpaaren und verstümmelten Drachenflügeln. Auf dem Monitor waren mehrere Balkendiagramme zu sehen, die sich fortwährend veränderten. Die Pupillen des Mädchens flogen von einer Grafik zur nächsten. Kyoti legte seine Hand auf ihre Schulter, sie schaute vom Monitor auf, lächelte und erklärte ihm

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