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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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Computern das Weltwirtschaftssystem stürzen zu können.
    »Warum erklärst du mir das alles?«, fragte Samuel in einer Pause. »Ich gehöre doch gar nicht dazu. Ich bin hier nur zufällig reingeraten.«
    »Das ist genau der springende Punkt, verstehst du?«, sagte Kyoti. »Jeder gehört dazu. Jeder ist Teil des Ganzen. Jeder kann durch sein Handeln bestimmen, was in der Welt geschieht. Die Wurzel des Übels ist nicht der Banker, die Börse oder der Waffenexporteur. Die Wurzel liegt darin, dass wir tatenlos zusehen, wie alles den Bach runtergeht, solange wir eine kleine Insel haben, an der wir uns festklammern können. Jeder feilscht darum, möglichst wenige Verluste in diesem grausamen Spiel namens Wirklichkeit zu machen. Unser Ziel ist es, die schleichende Rückkehr der rücksichtslosen und von allen geduldeten Herrschaft des Kapitals zu durchbrechen.«
    »Ihr seid also Sozialisten?«, stellte Samuel übertrieben gelangweilt fest. Er konnte die näselnde Stimme von Kyoti und den unterwürfigen Blick von Fabienne nicht mehr länger ertragen.
    »Sozialisten« , wiederholte Kyoti schmunzelnd. »Das lernt man wohl heute in der Schule, wenn es um gescheiterte Staatsmodelle geht.« Er zeigte mit einer allumfassenden Handbewegung in den Raum. »Wir sind die neue, bessere Occupy-Bewegung, weil wir nicht bloß irgendwo Zelte aufschlagen, sondern wissen, wohin die Reise geht.«
    »Und du bist dann der Führer, oder was?«, raunte Samuel.
    Fabienne ging dazwischen. »Er ist …«
    »Ich bin einer von einer Million, die dieses System zu Fall bringen werden.« Kyoti warf ihr einen Blick zu, der wohl heißen sollte, dass er Samuel nicht ernst nahm. Er drehte sich um, schritt durch die Bankreihen nach vorne und blieb vor einem mannshohen Bildschirm stehen, der in eine Vielzahl kleinerer Ansichten unterteilt war.
    »Und woher nehmt ihr die Leute, um das alles hier in Gang zu halten? Wo ist die eine Million, von der du sprichst?« Samuel ließ seinen Blick provozierend durch den Raum schweifen.
    »Wir haben siebenundzwanzig Stützpunkte und ein Hauptquartier. Unsere Mitglieder kommen aus allen Ländern Europas. Norden und Süden. Quer durch alle Schichten. Aussteiger, Intellektuelle, Unternehmer, Studenten, Schüler, Rentner. Wir ziehen keine Grenze, weder was den Bildungsstand anbetrifft noch was das Alter angeht. Wichtig ist nur, dass jeder von ihnen bereit ist, die gemeinschaftlichen Ziele zu unterstützen und seinen Teil dazu beizutragen.«
    »Und warum, wenn er ihr so mächtig seid, hat man nichts von euch in den Nachrichten gehört?«
    »Hat man nicht?« Wieder breitete sich auf Kyotis Gesicht dieses selbstverliebte Lächeln aus. »Dann achte mal genauer auf die Nachrichten … Stromausfälle, Virenangriffe auf Steueroasen, Bankautomaten, die einfach so Geld ausspucken. Politiker, die ihre zusätzlichen Einkommen im Internet nachlesen können. Man muss nur wissen, wo man sucht, und schon wird man fündig.« Kyoti beugte sich zu einem frei stehenden Computer und tippte etwas in die Tastatur. »In wenigen Tagen sind alle Vorbereitungen abgeschlossen, alle wichtigen Phasen durchlaufen. Dann kann die Party beginnen.« Er berührte den Bildschirm und wählte sich durch ein Menü. Eine Übersichtskarte von Europa erschien. Die Staaten, die aufgrund ihres Bankrotts die Staatenunion verlassen mussten, waren rot gekennzeichnet, die, die auf der Kippe standen, orange, so viel konnte sich Samuel zusammenreimen. Aber vielleicht handelte es sich auch um die Benutzeroberfläche des Spiels.
    »Mit One konnten wir in der letzten Phase vor null die Erfahrungen aller Spieler bündeln. Wir haben die Grundbedürfnisse der Menschen herausgefiltert und ihre Denkanstöße und Verhaltensweisen dazu genutzt, ein neues, gerechteres Wirtschaftsmodell zu entwerfen. Ein Modell, in dem es eine untergeordnete Rolle spielt, ob man reich geboren wurde oder arm, ob die Eltern gebildet sind oder nicht, ob man zur intellektuellen Elite gehört oder nicht. Jeder soll eine realistische Chance bekommen, voranzukommen. Wenn das funktioniert, wird es auch wieder friedlicher zugehen. Jetzt halten die Politiker den Deckel auf einen Topf, in dem es gewaltig brodelt. Wie du sicher weißt, gibt es auf dieser Karte einige Staaten, die nur noch auf dem Papier eine Demokratie haben.«
    Samuel mochte die aggressive Art nicht, mit der Kyoti seine Phrasen ausspuckte. Der Typ war so überzeugt von dem, was er sagte, dass er gar nicht bemerkte, wie überheblich er dabei

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