Oneiros: Tödlicher Fluch
Ecke über dem Eingang angebracht war. Damit hatte sich Señor Hoya sein Gesicht auf einer Festplatte gespeichert.
Überwachungsanlage.
Kein Wunder, wenn er in diesem Haus seine Schmucksammlung aufbewahrte.
Ihnen wurde von einer Frau in einem roten Kleid geöffnet, die Konstantin auf Anfang fünfzig schätzte, deren Figur aber den Neid von mancher Dreißigjährigen wecken könnte. Goldkettchen lagen um die schmalen Handgelenke, ein runder Anhänger mit einer Figur, die in einen Spiegel schaute, lag um ihren Hals. Wenn Konstantin es richtig sah, blickte aus dem Spiegel ein Totenkopf zurück.
Klassisches Vanitas-Motiv. Hier bin ich richtig.
»Buenos días«, grüßte sie. Danach wechselte sie in ein akzentfreies Englisch. »Schön Sie zu sehen, Señora Herbst.« Sie reichte Marna zuerst die Hand, dann wandte sie sich an Konstantin. »Und auch Sie sind ein gern gesehener Gast, Señor Korff. Ich bin Carola Hoya, die älteste Tochter von Ruben Hoya. Mein Vater erwartet Sie in der Bibliothek. Kommen Sie, bitte.«
Sie wandte sich um und ging voran. Lange schwarze Haare fielen offen über ihren Rücken, die flachen Schuhe verursachten keinen Laut auf dem polierten Steinboden.
Konstantin und Marna folgten ihr durch die Eingangshalle, in der es angenehm kühl war.
Die Wände waren mit dunklem Holz vertäfelt, daran hingen Bilder mit spanischen Landschaften, ein Don Quijote ritt gegen Windmühlen an, ein Stier kämpfte in einer Arena gegen einen Torero. Kronleuchter mit echtem Kristall hingen von der Decke. Es roch nach Orangen.
Konstantin war beeindruckt, und Marnas Gesicht nach erging es ihr ebenso.
Ja, da hat jemand Geld.
Carola schwenkte nach links, auf eine große Doppeltür zu. Sie klopfte einmal kurz und öffnete sie. »Unsere Gäste, Papa.«
Sie betraten einen Raum, der sechs, vielleicht sieben Meter Deckenhöhe hatte und in drei Reihen übereinander Regale aus dunkelrot-schwarzem Mahagoniholz barg, in denen sich Buchrücken an Buchrücken reihte. Zwei schmale Balustraden verliefen über dem untersten und dem mittleren Regal, auf die man über rollbare Leitern gelangte.
In der Mitte des Raumes befanden sich mehrere beleuchtete Vitrinen. Aufgeschlagene Bücher lagen darin und dazwischen Ringe, Amulette und Broschen sowie einige ungefasste Steine. Es roch nach Orangen und Papier, vermengt mit einer schwachen Note von altem Lack und Holz.
Ruben Hoya stand hinter einem Servierwagen, auf dem sich verschiedenste Spirituosenflaschen sammelten. Gläser hatte er bereits auf die Ablage gestellt. Sein Alter war schwer einzuschätzen. Konstantin hätte ihn höchstens auf sechzig geschätzt, aber da er eine Tochter um die fünfzig hatte, musste er wohl mindestens siebzig sein.
»Meine liebe Señora Herbst«, sagte er auf Englisch mit starkem spanischem Einschlag und deutete eine Verbeugung an. Dunkelrotes Hemd, auberginefarbene Hose, schwarze Lederschuhe. »Ich freue mich, Sie in meiner Stadtresidenz begrüßen zu dürfen. Bislang war uns das nicht vergönnt.« Mit einem knappen Blick streifte er Konstantin. »Guten Tag, Señor Korff.« Sein grauer, kurz gestutzter Bart verlieh ihm zusätzliche patriarchalische Wirkung. Er schien ein Don durch und durch.
Sie reichten sich nacheinander die Hände. Hoyas Finger waren gepflegt, kräftig und leicht feucht.
Er ist aufgeregt.
Konstantin setzte sich in den Ledersessel, auf den Hoya deutete und der ebenso gut in die Zigarrenlounge eines Gentlemen-Clubs gepasst hätte. Er schaute sich um, sah die alten und neuen Bücher in den Regalen, die anscheinend nach ihrem Erscheinungsdatum sortiert waren. Er entdeckte darunter einige Märchenbücher.
Interessant.
Die Vitrinen konnte er von seinem Platz nicht gut erkennen, er sah nur einen schwarzen Stein, der in eine Brosche eingearbeitet war.
Ohne dass Hoya sie gefragt hatte, reichte er jedem ein Glas mit einem Drink. »Einen Vintage Port aus dem Jahr 1977 für die Señora und einen trockenen Palo Cortado Sherry für den Señor«, erklärte er beim Servieren. Er selbst nahm einen Cognacschwenker in die Hand und ließ die bernsteinfarbene Flüssigkeit darin mit sanften Bewegungen kreisen. »Ich freue mich wirklich, dass Sie beide hier sind.« Er trank einen Schluck.
Carola hatte sich neben ihn auf einen Stuhl gesetzt, nahm einen Laptop vom Tisch hinter ihnen und öffnete ihn. Konstantin machte das nervös, ohne dass er erklären könnte, warum.
»Ich bedanke mich, dass Sie so rasch Zeit für uns hatten«, gab Marna zurück. »Es ist
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