Oneiros: Tödlicher Fluch
Marna, ohne zu vorwurfsvoll zu wirken, und heftete den durchdringend hellgrünen Blick auf ihn. »Weswegen fürchten Sie sich vor dem Tod? Sie sollten ihn doch gut genug kennen, bei Ihrem Beruf, Señor.«
Beinahe hätte Konstantin losgelacht.
Ich fürchte ihn ausschließlich wegen der Menschen um mich herum.
»Es geht mir mehr darum, jemanden zu treffen, der mit dem Tod sprechen kann«, erwiderte er.
Hoya hob die Augenbrauen. »Señor Korff, ich glaube, Ihre Arbeit hat Ihr Denken zu sehr beeinflusst. Sie beschäftigen sich meines Erachtens zu sehr mit dem Schnitter. Doch … nun ja, ein wenig Exzentrik sei Ihnen vergönnt. Sie können es sich leisten.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Ich hörte von einem guten Freund, dass Sie ein exzellenter Thanatologe sind, Señor. Er lobte Ihre Kunst außerordentlich. In meiner Familie ist das Abschiednehmen von den Toten eine alte Tradition, und es wäre mir sehr unangenehm, wenn ein solch intimer Moment durch Pfusch getrübt würde. Wäre es möglich, mich Ihrer Dienste schon jetzt zu versichern? Zu meinen Lebzeiten?«
»Das ist … ungewöhnlich, Señor Hoya. Ich fühle mich geschmeichelt.« Konstantin rang mit seiner Enttäuschung. Der Spanier wollte ihm anscheinend nichts weiter über die Ringe erzählen. »Wer hat mich empfohlen?«
»Marquis de Girardin. Wir kennen uns schon seit unserer Jugend. Ich war bei der Aufbahrung der Señorita. Eine Schande, dass sie jung sterben musste. Eine solche Schönheit.« Er sah zu den Vitrinen.
Die Welt der Reichen ist noch kleiner als die der normalen Menschen,
dachte Konstantin.
»Um auf Ihre Frage zurückzukommen, Señor Korff: nein.«
»Nein?«
»Sie wollten wissen, ob es eine Methode gibt, einen Gevatterring einzusetzen. Angenommen, ich würde daran glauben, dass man den Tod beeinflussen könnte, der uns von Gott gesandt wurde, damit wir vergehen und unseren Platz für unsere Kinder freigeben, dann müsste ich annehmen, dass die Steine von sich aus wirken. Mir sind keinerlei Hinweise bekannt, die etwas anderes vermuten lassen.« Hoya sah zu seiner Tochter. »Oder siehst du es anders?«
Carola blickte vom Monitor auf. »Ja, Papa.«
Hoya lachte leise. »Unsere alte Auseinandersetzung. Meine Tochter teilt mein Faible für Steine und Bücher und alles Seltene. Sie übernimmt die Recherche und stellt für mich die ersten Kontakte zu den Händlern her. Aber im Gegensatz zu mir hat sie eine Vorliebe für alles Mystische.«
Konstantin betrachtete Carola, die schon wieder schrieb.
Weiß sie mehr, als sie sagen darf?
Hoya stellte seinen Schwenker ab und beugte sich nach vorne. »Kann ich den Harlekin’s Death sehen, Señor Korff?«, bat er leise. Er rieb die Hände aneinander, griff in seine Tasche und zog ein Paar Baumwollhandschuhe hervor. »Damit wir zum Geschäft kommen.«
»Sicher.« Konstantin suchte den Ring, den er nicht mal in einer Schatulle aufbewahrte, und reichte ihn dem Spanier.
Schauen darfst du, aber hergeben werde ich ihn nicht.
Sein Rückzieher dürfte Marna ziemlich wütend machen. Geplatzter Deal, keine Provision. Aber sie hatte ihre Finger in dubiosen Geschäften, sie musste mit enttäuschenden Geschäftsverhandlungen rechnen. Immerhin bezahlte er ihr den Audi.
Da Carola an das Mystische glaubte, überlegte Konstantin, ob er versuchen sollte, ein paar Worte mit ihr allein zu wechseln, abseits der strengen Augen ihres Vaters.
Hoya nahm den Schmuck, seine Tochter brachte ihm unaufgefordert eine Lupe aus dem Schreibtisch. Minutenlang begutachtete er den Ring, wie es damals schon die Herbst-Geschwister getan hatten; auf seinem aristokratischen Don-Gesicht breitete sich unverhohlene Freude aus. Er schien sich vergewissert zu haben, dass er keine Fälschung in den Fingern hielt.
Vermutlich muss ich den Ring am Ende einfach anlegen und abwarten, was geschieht. Vielleicht passiert ja gar nichts, weil es nur ein Scheiß-Ring ist und ich den Fluch niemals loswerde.
Konstantin trank seinen Sherry aus und sah zu Marna, die sich mit dem Port beschäftigte und den Kopf leicht angehoben hatte, um die oberen Stockwerke der Bibliothek zu betrachten. Er fand ihr Profil schön und fotogen.
Wie Iva.
Er wandte sich ab und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Dabei bemerkte er eine winzige Kamera in einer Ecke sowie dünne Sensordrähte, die in den bodenlangen Fenstern entlangliefen. Nichts entging der Familie Hoya, was bei dem gelagerten Schmuck verständlich war. Garantiert hatte das Alarmsystem eine
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