Oneiros: Tödlicher Fluch
Leichnams in die Öffentlichkeit geriete. Ich möchte Ihnen mit dieser Auflage keinesfalls unterstellen, die Medien einzuschalten, aber die Damen und Herren sind sehr fix, was solche Dinge angeht. Dazu nicht minder rücksichts- und anstandslos.«
Das verstand Konstantin, ohne beleidigt zu sein. »Kein Problem. Machen wir es so, wie es der Marquis wünscht.« Ihm fiel auf, dass Caràra kein einziges Mal nach dem Honorar gefragt hatte. Er sah in seinen
Red Russian
und überlegte, ob er noch etwas wissen musste.
»Monsieur Korff?«
»Ja, ich bin noch da. Ich … nenne Ihnen meine Mailadresse, damit Sie mir den Bericht schicken können.« Konstantin gab sie durch.
»Sehr gut, Monsieur. Bliebe noch die Entlohnung«, sagte Caràra. »Wie der Marquis Ihnen schrieb, spielt Geld keine Rolle. Ich nehme an, Sie haben einen Stundensatz, wenn Sie außerhalb von
Ars Moriendi
tätig sind?«
»Habe ich, Monsieur Caràra. Er liegt bei …«
»Monsieur Girardin bezahlt Ihnen fünfhundert Euro die Stunde, sofern diese Summer über Ihrem herkömmlichen Satz liegen sollte«, unterbrach ihn der Privatsekretär, »und zwar unabhängig vom Resultat Ihrer Bemühungen. Wenn Sie es schaffen, Ihrem Ruf gerecht zu werden, und Demoiselle Lilou so herrichten, dass sie schlafend anstatt tot erscheint, erhalten Sie einen Bonus von 100 000 Euro. Ihre Diskretion wird der Marquis mit weiteren 150 000 Euro belohnen, ohne dass eine deutsche Steuerbehörde jemals davon erfahren muss, sofern Sie das wünschen.« Caràra sprach über die schwindelerregenden Summen so nebensächlich wie andere Menschen über Obst oder die Farbe einer Wand.
»Sehr großzügig.« Konstantin nahm erneut einen Schluck von seinem Drink. »Aber
zu
großzügig. Richten Sie Monsieur de Girardin meinen Dank aus, doch ich möchte nicht von seinem Leiden profitieren. Ich nehme meinen üblichen Stundensatz.«
»Wie Sie wünschen, Monsieur Korff.« In Caràras Stimme schwang hörbar Hochachtung mit. »Sie rufen mich an, sobald Sie einsatzbereit sind? Denken Sie an die Materialliste. Guten Abend.«
»Guten Abend, Monsieur Caràra.« Konstantin legte auf und leerte den zweiten
Red Russian.
Es fühlte sich unglaublich gut an, auf das viele Geld verzichten zu können. Das
Ars Moriendi
warf genug ab, seine Zusatzeinsätze auch. Er musste keinen Trauernden und Verzweifelten ausplündern. Es ging um Professionalität.
Dafür war er früher schon geschätzt worden.
Vor seiner Tätigkeit als Thanatologe.
Er nahm das Buch wieder zur Hand und stockte:
The Importance Of Being Earnest. Ernst sein ist alles.
Wilde hatte damals mit
Ernst,
als Begriff und als Name, ein Wortspiel getrieben. Das Schicksal hatte es so gewollt, dass sein französischer Auftraggeber
Erneste
hieß.
Nein, ich will gerade kein Ernst sein.
Nach wenigen Seiten wurde Konstantins innere Unruhe zu groß, um noch weiterzulesen. Die Gedanken an Paris und Lilou ließen ihn einfach nicht los.
Er legte das Werk zur Seite und kümmerte sich um die Vorbereitungen für seine Blitzreise nach Paris, buchte Flug und Zug, sah sich das Hotel an und staunte, wie edel es war. Dann schickte er Caràra die Liste und recherchierte beim dritten
Red Russian
den Namen Erneste Xavier de Girardin. Der französische Adlige war ein Magnat, der Beherrscher eines Stahlimperiums mit Firmenbeteiligungen in der ganzen Welt. Verheiratet seit zweiundzwanzig Jahren, vier Kinder, alle unauffällig wie die Eltern. Ein Bilderbuchleben.
Über die Familie war kaum etwas Privates bekannt, man sah sie nur selten bei Veranstaltungen. Allem Anschein nach war Lilou als jüngste Tochter gerade für die Klatschpresse interessant geworden, da sie als Model Karriere machte und durchstartete wie kaum ein anderes Mädchen vor ihr.
Bis zum gestrigen Tag.
Konstantin las die Meldung, dass unbestätigten Berichten zufolge Lilou de Girardin beim Unfall auf dem Flughafen Paris-Charles de Gaulle ums Leben gekommen sein sollte. Ein A 380 war nach der Landung in ein Terminal gerast und hatte immense Verwüstung sowie Feuer angerichtet und über achthundert Tote gefordert. Die Zahl der Verletzten ging in die Hunderte.
Er verzichtete darauf, sich näher mit dem Artikel zu beschäftigen. Konstantin mochte keine Sensationsnachrichten.
Er nahm noch einen Schluck, Wodka und Kirschlikör rannen angenehm kühl seine Kehle hinab.
Zeit zu packen.
Er erhob sich und streckte sich.
Sport wäre dringend an der Reihe. Ich könnte ein bisschen Bew…
»Hey! Haltet die
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