Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
gleichgültig, wenn auch nicht blind. Die Narkosemittel hielten ihn ruhig, aber 77 lebte noch.
    Lange hatte die Säge weggelegt und sah McNamara an. »Was ist? Wir liegen gut in der Zeit! Jetzt …«
    McNamara rührte sich nicht. »Ich … kann das nicht.«
    Smyrnikov sah sich in seiner Vermutung bestätigt. Der Ire war ein Feigling, ein theoretischer Forscher, der es anderen überließ, sich die Hände schmutzig zu machen. »Wieso?«
    »Der Mann … er …« McNamara deutete mit dem blutbeschmierten Zeigefinger auf 77 . »Ich kann das nicht!«, wiederholte er einfach. »Nein, bei Gott! ICH KANN DAS NICHT !«
    »Puls ist weg, Herz schlägt nicht mehr«, sagte ein Helfer aus dem Hintergrund, der die stummgeschalteten Vitalwerte abgelesen hatte. »Wiederbelebung?«
    Smyrnikov winkte ab. 77 war ihm gleichgültig, für ihn war der von plötzlichen Gewissensbissen befallene Ire das eigentliche Problem. Als Nächstes würde er wegwollen.
    Aber wer einmal den Weg nach Minsk und in den OP -Saal des Instituts Leben angetreten war, konnte nicht einfach aussteigen. Schweigen konnte man sich in Weißrussland leicht erkaufen, doch in der westlichen Welt würde die Stimme eines Arztes, der die Experimente eines internationalen Teams anklagte, gehört werden.
    Das durfte Smyrnikov nicht zulassen.
    »Was ist nun?«, drängelte Lange genervt und machte sich bereit, das Hirn zu entnehmen. Er stand hinter dem verstorbenen 77 , dessen Oberkörper voller Blut war, das in Bahnen an ihm hinabgelaufen war und nun trocknete. Der metallisch süße Geruch kroch hinter die Atemmasken der Ärzte. Im Moment sahen sie alle eher wie Schlachter aus als wie Mediziner.
    »Abbrechen«, befahl Smyrnikov leise. »Aufräumen und sauber machen, 77 wandert ins Krematorium. Gute Arbeit, Doktor Lange. Ich weiß Ihr Engagement zu schätzen.«
    Lange nickte, schien aber nicht glücklich.
    Smyrnikov zeigte auf McNamara, bevor er sich zum Ausgang wandte. »Folgen Sie mir bitte, Herr Kollege.«
    Schweigend verließen sie den OP , legten die verschmierten Kleidungsstücke ab, reinigten sich und zogen sich um. Dabei vermieden sie Blickkontakt.
    Smyrnikov ließ McNamara den Vortritt, als sie die Umkleide verließen und wies auf den Besprechungsraum. »Da hinein, bitte.«
    Sie betraten das Zimmer.
    Smyrnikov setzte sich sofort mit dem Rücken zu dem zugemauerten Fenster und bot McNamara weder etwas zu trinken noch von den Nüssen an, die auf dem Tisch standen. Die Gastfreundlichkeit hatte er sich verscherzt.
    McNamara hatte die Hände in die Taschen seines Kittels gesteckt, die Schultern hingen herab, die schlanke, schlaksige Statur machte ihn zu einem niedergeschlagenen Schuljungen, der nach einem aufgeflogenen Streich auf dem Weg zum Direktor war.
    Der Ire wollte etwas sagen, doch Smyrnikov hob die Hand. »Sie müssen nichts erklären. Ich habe verstanden, dass Sie aussteigen wollen. Sie sind nicht der Erste, der mit unseren Forschungen nicht zurechtkommt.«
    McNamara sah erleichtert aus. »Es tut mir leid, dass ich aussteigen muss. Ich habe mir darunter etwas anderes vorgestellt. Die Verpflanzungen, die Transplantationen, sicherlich, das reizt mich, doch ich dachte, wir experimentieren an Tieren. An Affen«, plapperte er. »Dass ich …«
    »Unsinn. Sie wussten, was Sie erwartet, Professor McNamara.« Smyrnikov entließ ihn nicht aus seiner Schuld und dem Vorwurf des Versagens. »Sie sollten sich eingestehen, dass Sie nicht zu dem taugen, für was wir Sie in unserem Institut brauchen. Unsere Geldgeberin will Resultate, Resultate an Menschen. Alles andere hat keinen Nutzen, Professor, vor allem keinen finanziellen. Affen besitzen keine Millionenvermögen, das sie für den Erhalt ihres Lebens ausgeben können.« Er hob den Arm und deutete auf die Tür. »Sie können gehen. Packen Sie Ihre Koffer und melden Sie sich unten beim Empfang. Ein Fahrer wird Sie zum Flughafen bringen. Sie wissen, dass Sie zum Schweigen verpflichtet sind. Halten Sie sich daran. Der Bruch unserer Abmachung hätte weitreichende Folgen für Sie und alle Menschen, die Ihnen in irgendeiner Weise nahe stehen.«
    McNamara setzte zu einer Erwiderung an, doch dann nickte er nur müde. Er erhob sich, nickte Smyrnikov nochmals zu und verließ den Raum.
    Nach ein paar Sekunden hob der Institutsleiter den Telefonhörer ab und informierte die Wachen am Eingang, wohin sie McNamara tatsächlich bringen sollten.
    Dann überlegte er, wie er ihrer Investorin den unerwarteten Ausfall von Patient 77

Weitere Kostenlose Bücher