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Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sein lassen.
Die kommenden Wochen würden sie sich ohnehin nicht sehen, denn er war viel unterwegs, und Teile des Ensembles gingen auf eine Tournee durchs Baltikum und durch Russland. Seine hartnäckigen, unerwünschten Gefühle konnten abkühlen oder am besten ganz auf Eis gelegt werden.
     
    Er fläzte sich in den Liegestuhl, nahm einen Schluck von seinem abgewandelten
Red Russian
und blätterte in einem Buch. Oscar Wilde,
The Importance of Being Earnest
oder
Ernst sein ist alles.
Einer von Konstantins besten Freunden zitierte den Schriftsteller ständig.
    Am Ufer, etwas weiter entfernt von seiner Anlegestelle, herrschte reger Betrieb. Menschen vergnügten sich in Kneipen und Bistros, Kinder lachten und kreischten ausgelassen. Es wurde geplanscht, mit Booten gefahren oder geschnorchelt.
    Eine der besten Ideen, die die Stadtoberen je gehabt hatten, war die Flutung der Braunkohlegruben rund um Leipzig und in den angrenzenden Gemeinden. Das Leipziger Neuseenland, das wuchs und wuchs, war ein kleines Paradies, und die Wasserqualität steigerte sich von Jahr zu Jahr.
    Konstantin hatte das Kunststück geschafft, an der Anlegestelle am Ostufer, an der Marina des Zöbigker Winkels, einen Festplatz für sein Hausboot zu ergattern. Mit seinem schnellen, wendigen Beiboot kam er über den See und durch die Kanäle bis in die Innenstadt von Leipzig. Besser ging es kaum.
    Er wohnte gern auf dem Wasser. Es vermittelte ihm eine gewisse Sicherheit, obwohl ein Meer noch besser gewesen wäre. Spaßeshalber hatte er sich einmal nach den Preisen von ausrangierten Bohrplattformen erkundigt, die Idee aber schnell wieder verworfen. So viele Menschen konnte er gar nicht beerdigen, um das nötige Geld zu verdienen.
    Er beobachtete die Besucher, die auf dem Steg der Marina entlangschlenderten und die Schiffe bestaunten. Nach einem weiteren Schluck
Red Russian,
der dank der drei hinzugegebenen Minzblätter eine wunderbar erfrischende Note hatte, wandte er sich wieder dem Buch zu.
    Ein leises
FIEP
verriet, dass sein Smartphone eine SMS erhalten hatte.
    Konstantin nahm das Gerät zur Hand und sah eine Nachricht von Mendy: »Vergessen Sie bitte nicht den Kunden aus Paris, auch wenn Sie schon Feierabend haben. LG MK «
    Sie kennt mich zu gut.
Er durchsuchte seinen Posteingang und fand die weitergeleitete Mail aus Frankreich.
    Da er die Sprache aus seiner Vergangenheit noch fließend beherrschte, war es kein Problem, den Inhalt zu verstehen. Der Verfasser, das erkannte er an den ersten Sätzen, griff auf Formulierungen zurück, wie sie ein Mensch mit Umgangsformen benutzte.
     
    Geschätzter und geehrter Monsieur Korff,
     
    nach dem gestrigen schrecklichen Unfalltod meiner geliebten Tochter Lilou ist es mir ein enorm wichtiges Anliegen, ihren Leichnam im Rahmen einer Abschiedszeremonie der Familie, den Verwandten, Freunden und der Öffentlichkeit ein letztes Mal präsentieren zu können.
     
    Dabei geht es weniger um mich, auch wenn mir der Verlust meines Kindes Herz und Seele zerreißt.
    Aber meiner Gemahlin ergeht es weitaus schlimmer. Seit der verheerenden Nachricht steht sie am Rande des Wahnsinns und weigert sich, den Tod unserer Tochter zu akzeptieren. Sie isst nicht, schläft nicht, redet unentwegt von Lilous Rückkehr und gerät immer tiefer in eine Scheinwelt.
     
    Wir haben Angst, dass wir auch sie verlieren!
     
    Meine Ärzte rieten mir, meiner Gemahlin eine aktive Abschiednahme zu ermöglichen, da dies für den Trauerprozess wichtig sei. Damit das Begreifen einsetzt und die Ablehnung des Geschehenen endet. Je plötzlicher der Tod und je jünger der Verstorbene, desto wichtiger sei es, meinten sie.
     
    Meine Tochter war gerade einmal siebzehn Jahre, Monsieur Korff, und eine herausragende Schönheit. Der Stolz unserer großen Familie.
    Die Andeutungen, die mir die Behörden über ihre Verletzungen machten, genügten, dass ich mich unverzüglich dazu entschloss, Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen.
     
    Ich habe Ihnen die Nummer meines persönlichen Sekretärs beigefügt, Monsieur Carlos Caràra. Er kümmert sich um die Abwicklung meiner Geschäfte und wird Ihr Ansprechpartner in allen Fragen sein.
     
    In aller Offenheit: Geld spielt keine Rolle!
     
    Ich erstatte Ihnen Ihre Auslagen in doppelter Höhe und bezahle das dreifache Honorar.
    Oder Sie nennen Monsieur Caràra eine Summe, die er Ihnen im Voraus überweisen wird, aber ich flehe Sie an:
     
    Kommen Sie sofort nach Paris!
     
    Retten Sie meine Frau vor dem Wahn!
     
    Erhalten Sie

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