Oneiros: Tödlicher Fluch
wo sie wollte, es roch unangenehm süßlich, der Gestank von verwesendem Fleisch. Verbrecher, Polizisten, unschuldige Einwohner – hier hatte der Tod mit Sicherheit reiche Beute gemacht. Dafür sah man sogar recht wenige Leichen auf den Straßen. Doch irgendwo lagen sie. Und sie stanken. Mit dem und gegen den Wind.
Kristin nahm einen Schluck Cola und spülte die Tablette runter, die sie sich vor ein paar Minuten unter die Zunge gelegt hatte. Sie hatte Kopfschmerzen, sah doppelt, Übelkeit rollte in Wellen über sie hinweg. Die Insomnie wollte ihr das Leben zur Hölle machen.
Im riesigen Kofferraum des Geländewagens lag Clarence, der DEA -Abteilungsleiter Karibik. Eingepackt in eine Metallkiste mit Luftschlitzen, schlief er dank eines wirkungsvollen Sedativs sehr, sehr tief. Das war notwendig, um zu verhindern, dass er in einen normalen Schlaf fiel. Wie Patient 22 .
Sie sah auf die Uhr.
Ihr Kontaktmann namens Trejo würde gleich auftauchen und sie zur Start- und Landebahn bringen, die südwestlich von Mier lag und einmal eine breite Fernstraße namens
Carretera Federal 54
gewesen war. Nun endete sie drei Meilen vor dem Städtchen an einem Stapel aufgeschütteter Betonklötze, die an Wellenbrecher erinnerten. Allerdings gab es an dieser Stelle Mexikos kein Meer.
Nun hatten die
Zetas
eine Basis für ihre Hubschrauber und Kleinjets in unmittelbarer Nähe zu den USA . Kein Wunder, dass Mier als einer der heißesten Drogenumschlagorte galt. Kristin vermutete, dass die
Zetas
deshalb die Morddrohung gegenüber den Bewohnern der Stadt ausgesprochen hatten. Keine Zeugen bei ihren Geschäften. Sie zählte heute schon vier Lastwagen, die aus dem Grenzstädtchen aufbrachen und sicherlich nichts Harmloses transportierten. Dem Begleitschutz aus gepanzerten, hochgerüsteten Humvees nach hätte man annehmen können, es würde Gold verfrachtet. Tatsächlich war es weißes Gold, das durch die Nase rauschte.
Ein schwarzlackierter Humvee-Geländewagen mit angeberisch verchromten Anbauten und einer detailliert gemalten Patrone auf der Motorhaube bog in der Ferne auf die Straße ein und kam röhrend auf die Veranda zu. Die Dachluke war geöffnet, ein Mann in kugelsicherer Weste und Headset stand in einer Drehringlafette hinter einem martialischen Maschinengewehr und sicherte die Fahrt. Hinten saß ein weiterer Schütze an einem kurzläufigen Granatwerfer. Der Look mit Spiegelbrille und Bart, Tätowierungen am Hals und im Gesicht erinnerte ebenfalls an Tarantino.
Kristin unterdrückte ein Gähnen und erhob sich, lehnte sich an den mit Einschüssen übersäten Pfeiler, der das Dach hielt.
Der Humvee stoppte, die breiten, grobstolligen Räder rutschten über den Staub und wirbelten bräunliche Schwaden auf, die zu ihr trieben.
Aus dem Wagen stiegen vier Bewaffnete, die kaum anders als der Typ am großen MG aussahen. Kevlarwesten, neueste Headsets, moderne Schnellfeuergewehre und Handgranaten. Die
Zetas
waren Paramilitärs mit guter Ausrüstung und guter Ausbildung. Es wunderte Kristin daher nicht, dass sie große Teile der mexikanischen Provinzen nach Belieben beherrschten und sogar das mexikanische Militär zurückschlugen.
»Hallo«, grüßte sie auf Spanisch und lächelte leicht.
»Hallo, meine Schöne«, sagte der vorderste Mann, der eine Spinnentätowierung im Gesicht hatte. Die giftgrüne Arachnide saß auf der linken oberen Ecke der Stirn, wo der schwarze Haaransatz begann. Damit würde er es schwer haben, in einem seriösen Geschäft eingestellt zu werden, doch vermutlich hatte er das gar nicht vor. Er war gedrungen, aber muskulös. »Du bist die Russen-Braut?«
Sie sah keine Veranlassung, ihn zu verbessern, und nickte. Sie war sich bewusst, dass sie in ihren Edelklamotten auffiel wie ein Fisch in der Wüste, doch es kümmerte sie nicht. »Ich bin Sophia.«
»Aye. Ich bin Trejo.« Er grinste und zeigte zwei goldene Schneidezähne. »Du hast einen Learjet nach Toronto bestellt?«
»Habe ich. Nonstop.«
»Hast du das Geld?«
»Hast du den Jet, Trejo?« Kristin setzte langsam ihre Sonnenbrille auf und schaute in den blauen Himmel, als sonnte sie sich.
Er tippte sich gegen das Headset. »Ich kann den Vogel herbeirufen, sobald du mir deine Scheine gezeigt hast. Vorher wird er nicht landen.«
Kristin hob mit der Ferse eine lose Verandalatte an, unter der ein Koffer zum Vorschein kam. Wenn sie schon in eine Tarantino-Nummer geraten war, konnte sie auch etwas dramatisches Flair verbreiten.
Trejo schickte mit einem Nicken
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