Oneway to Montréal - Roman (German Edition)
Stadt, in der dies den Menschen leicht fiel, einer Stadt mit viel Charme und Savoir Vivre:
Montréal!
Montréal
Sammy sah gedankenverloren auf, als sie bemerkte, dass der Schatten auf ihrem Bildschirm nicht verschwand. Michelle stand vor ihr und grinste sie an.
„Sag mal, warum hast du nicht ein leichteres Fachgebiet gewählt? Ausgerechnet Politik! Du kriegst auf Dauer eine große Dackelsorgenfalte auf der Stirn. Ich hoffe, das ist dir klar!“
Sammy sah sie noch einen Moment an, als handelte es sich um ein grünes Männchen mit Rüssel und drei Beinen, dann registrierte sie ihre Lokalredakteurin endlich.
„Oh, Michelle, excuse moi! Ich weiß einfach nicht, wie ich verhindern soll, dass die Leute über meinem Artikel das Schnarchen anfangen. Es gibt wirklich kein Fach, das im ersten Moment so staubtrocken wirkt wie Politik.
Aber ich weiß, dass es mir im Blut liegt! Es interessiert mich unglaublich, aber ich würde so gern spritzig und humorvoll darüber berichten.“
Sie seufzte schwer.
„Wahrscheinlich würde das die Leser aber wohl etwas irritieren.“
Michelle lachte.
„Darauf kannst du wetten! Aber wenn es dich tröstet: Alex hat dich bei der letzten Sitzung mit der Geschäftsleitung sehr gelobt. Du könntest Politik sehr klar und verständlich für den „Otto Normalverbraucher“ rüberbringen. Auch deine Fremdsprachenbegabung ist ein Thema gewesen. Du fällst also nicht als Langweiler vom Dienst, sondern sehr positiv auf.
Aber nun zu etwas ganz Profanem: Gehst du mit zu ‚Egg Wonder‘? Ich kann keine Sandwiches mehr sehen!“
„Was bitte, ist ‚Egg Wonder‘ ? Du weißt doch, ich kenne mich hier noch nicht so aus.“
„Entschuldige, aber du hast dich in den vier Wochen schon so integriert, wi e andere in vier Jahren nicht! ‚Egg Wonder‘ ist ein Restaurant, gleich um die Ecke auf dem Boulevard de Maisonneuve. Es ist urgemütlich, man hat Platz und es gibt, neben einem spitzenmäßigen Kaffee, die besten Omelettes und Crêpes hier in der Stadt!“
Sammy streckte sich und bog die verspannten Schultern zurück. Dann schob sie den Stuhl zurück und stand rasch auf.
„Gute Idee, vor allem das Wort Kaffee lässt mich geradezu aus dem Stuhl schnellen, wie du siehst!“
Die beiden jungen Frauen gingen fröhlich plaudernd zur Tür des Redaktionsraumes, als ihnen Alexandre Duralde entgegenkam.
„Na, ihr beiden Starreporter! Freut ihr euch, weil ihr so gerne hier arbeitet, oder weil ihr gerade auf der Flucht seid?“
Duralde sah dabei besonders Sammy an und sie lächelte ihn leicht errötend an.
Alexandre Duralde war ein imposanter Mann von zweiundvierzig Jahren.
Mit ungefähr einsachtzig war der Chefredakteur kleiner, als Sammy es von den Männern ihrer Umgebung bisher gewohnt war und nur knapp größer als sie selbst.
Aber man merkte ihm an, dass er ein Sportfreak war. Er wirkte durchtrainiert, sogar im Anzug, und auch seinem attraktiven, eher markanten Gesicht sah man sein Alter partout nicht an. Nur die leicht angegrauten Schläfen wiesen sanft darauf hin.
Man sah ihn oft in Gesellschaft schöner Frauen, aber es schien nie etwas Ernstes zu sein.
Es gab nicht viele Partys, auf denen Duralde nicht zu finden war, er gehörte zur Elite der Stadt.
Am Wochenende kümmerte er sich jedoch ausnahmslos um seine beiden Töchter.
Sammy hatte gehört, er sei mit einer, für seinen Status sehr unpassenden Dame vom Varieté verheiratet gewesen.
In einer weltoffenen Stadt wie Montréal wurden Mesalliancen natürlich toleriert, aber durchaus viel diskutiert. Madame Duralde sei das häusliche Leben zu langweilig gewesen, hatte Michelle Sammy zugetragen, und sie war nach drei Jahren Ehe und der Geburt zweier Töchter einfach weitergezogen.
Als Chef war Duralde sehr warmherzig und mitfühlend, aber nur, wenn er dafür auch entsprechende Leistungen bekam.
Sammy erinnerte er ein bisschen an ihren Vater. Sehr weise, ruhig und besonnen, aber nie herablassend.
Alex Duralde dagegen konnte die junge Frau, die vor ihm stand, noch nicht so recht einschätzen. Sie berührte eine Saite an ihm, die er sonst nur bei seinen Töchtern klingen fühlte.
Sie wirkte irgendwie verletzlich, obwohl sie in ihren Artikeln, besonders für eine Anfängerin, ihren eigenen Stil erstaunlich sicher und entschlossen durchzog!
Als er ihre Bewerbung gesehen hatte, war es hauptsächlich Neugier auf diese Person mit dem ungewöhnlichen Lebenslauf gewesen, die ihn zur Einstellung bewogen hatte. Aber auch ein positives
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