Oneway to Montréal - Roman (German Edition)
ich bin also vielsprachig und sehr global interessiert aufgewachsen. Außerdem hatte ich an der Universität vorrangig Politik und Diplomatie belegt, erst danach die journalistischen Fächer.“
„Ihr Vater ist Diplomat? Für Kanada?“
„Nein, für Frankreich. Zuerst auf Sri Lanka, dann in Holland und der Schweiz und zuletzt war er hier in Ottawa tätig. Jetzt hat er seinen Wirkungskreis in Südafrika.“
„Montfort ...? Hmm, warten Sie mal, doch nicht Edouard de Montfort?“
„Doch, Sie kennen ihn?“
„Kennen wäre zu viel gesagt. Ich habe ihn einmal auf einem Botschaftsball getroffen.
Er nahm sich die Zeit und hörte sich die, damals noch sehr hitzköpfigen Reden meines Mannes an, der mit einem seiner politischen Gegner im Streit lag. Und er schaffte es tatsächlich allein durch seine ruhige Autorität, die Notbremse zu ziehen, so dass das von allen erwartete Duell doch nicht stattfand.“
Miriam Thornton lacht etwas wehmütig in Gedanken an diese vergleichsweise sorglose Zeit, in der alles Denken auf die politischen Inhalte gelegt wurde und noch nicht so sehr auf taktische Erwägungen.
In denen das Feindbild noch aus Armut, Arbeitslosigkeit und Zuwanderungsproblematiken bestand.
Heute dagegen war der Feind oft ein Politiker aus der gegnerischen Partei oder sogar ein Nachrücker aus der eigenen. Hausgemachte Probleme waren wesentlich ermüdender als die von der Wirklichkeit geschaffenen, fand die erfahrene Diplomatengattin.
„Du meine Güte, vor lauter Vergangenheitsromantik vergesse ich total meine Gastgeberpflichten .
Sally, bitte einen Drink für unseren Gast!
Wen hätten Sie denn gerne als Gesellschaft, meine Liebe? Wie wäre es mit Andrew Morton, zukünftiger Botschafter für Zaire? Ein reizender Mann. Sehr gerissen darin, allen verfänglichen Themen auszuweichen!
Andrew – ich hätte hier eine reizende junge Dame vom Coursier de Montréal , die gerne etwas über Ihren zukünftigen Wirkungskreis erfahren hätte. Vielleicht sind Sie auch so nett, ihr den Weg zum Buffet freizuboxen? Miss de Montfort, ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich Sie so einfach weitergebe, aber Senator Wedges ist soeben an der Tür. Wir sehen uns doch nachher bestimmt noch, ja?“
„Natürlich, Mrs. Thornton. Bis später und danke!“
Sammy war tatsächlich etwas pikiert darüber, dass sie sich ihren ersten Interviewpartner nicht hatte selbst aussuchen können.
Andererseits verstand sie nun, was Alex damit gemeint hatte, Mrs. Thornton bügle die etwas herrische Art ihres Gatten gewissermaßen flach.
Man konnte i hr wirklich nur sehr schwer böse sein. Außerdem musste sie in kürzester Zeit feststellen, dass Andrew Morton gar keine so schlechte Wahl gewesen war.
Er erklärte ihr einiges über die Zustände seines zukünftigen Betreuungslandes und auch mit Insiderinformationen über dortige Politiker sparte er nicht. Sammy begann sich gerade darüber Gedanken zu machen, wie sie wohl an die, von Mrs. Morton angedeutete, „gerissene“ Seite des ca. vierzigjährigen Anglokanadiers kommen könnte, als sie aus dem Augenwinkel heraus sah, dass Dan den Raum betreten hatte.
Er hatte anscheinend mit dem Senator ein Privatgespräch in dessen Arbeitszimmer geführt und strebte mit diesem nun auf das Buffet zu. Sie beschloss , nicht lange abzuwarten, sondern ein Treffen möglichst sofort herbeizuführen.
„Mr. Morton, Sie werden mich für entsetzlich unhöflich halten, aber ich komme um vor Hunger. Denken Sie, wir könnten – also, falls Sie noch nichts gegessen haben – uns tatsächlich zum Buffet durchboxen?“
„Natürlich, Miss de Montfort. Ich habe zwar bereits gegessen, aber ich bahne Ihnen gerne einen Weg durchs Getümmel. Und im Übrigen sind nicht Sie unhöflich, sondern ich!
Da bekomme ich schon fast einen Befehl von unserer Gastgeberin und vergesse ihn total über mein Geschwätz, von dem Sie ja sowieso nicht alles drucken können.“
Sammy beteuerte lachend, dass sie sich keinen Moment gelangweilt hätte, aber als sie aufs Buffet zugingen, fühlte sie ihr Herz schneller schlagen.
Ihr Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an, als sie fast hinter Dan in der Schlange standen.
Nach einem Räuspern gab sie Morton Antwort auf seine höfliche Frage, was sie nun essen wolle und im gleichen Moment drehte Dan sich um und starrte sie mit großen Augen an.
„Sammy? Du, hier? Ich dachte doch, die Stimme kenne ich.“
Er verstummte leicht verlegen und sah sie weiter an.
Sammy schluckte und versuchte
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