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Onkel Horatios 1000 Sünden

Onkel Horatios 1000 Sünden

Titel: Onkel Horatios 1000 Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Fahrzeug. Er hatte ein gerötetes Gesicht, scharfe blaue Augen und die dichtesten und stachlichsten Augenbrauen, die George jemals gesehen hatte. Diese Augenbrauen hoben sich nun langsam und erinnerten ihn an zwei Raupen, die an einer Ziegelmauer emporkriechen.
    «Ihr völliger Mangel an Manieren ist zur Gänze Ihr eigenes Pech», fuhr der andere Fahrer fort. «Daß Sie sich aber nicht darum scheren, was sich vor Ihnen auf der Straße abspielt, ist das Pech aller anderen.»
    «Sie haben einen meiner Scheinwerfer zertrümmert!» beschwerte George sich wütend. «Ich muß so rasch wie möglich nach Southampton, und Sie kriechen mit zehn Meilen pro Stunde daher -»
    «Auch ich muß so rasch wie möglich nach Southampton, aber deshalb fahre ich nicht in einem Tempo, das dazu angetan ist, die Straße mit Leichen zu pflastern.»
    «Sie blockieren die ganze Straßenbreite -»
    «Ach? Sie möchten wohl, daß alle anderen im Rinnsal fahren?»
    «Und Sie blieben ohne jede Vorwarnung plötzlich stehen.»
    «Heiliges Kanonenrohr, Mensch!» rief der Stichelhaarige aus. «Was hätte ich denn Ihrer Meinung nach tun sollen? Ihnen etwa eine Ansichtskarte schreiben?»
    «Wie, zum Teufel, soll ich denn auf diese kurze Entfernung den Wagen anhalten?» brüllte George.
    «Indem Sie Ihre ausgeronnenen Bremsen nachstellen lassen, ganz einfach.»
    Es ist eine traurige Folge unseres modernen Lebens, daß - außer der Ehe - nichts derart unsinnige Streitigkeiten zwischen ansonsten vernünftigen Erwachsenen heraufbeschwört wie das Autofahren. Nach einigen recht persönlichen Ansichten drohten beide Fahrer einander abschließend mit der Faust, warfen die Wagentüren zu und starteten den Motor.
    «Dieser melonenbehütete Affe müßte als öffentliche Gefahr eingelocht werden», schimpfte George und bemühte sich, den Widersacher so weit wie möglich hinter sich zu lassen.
    «Sicherlich schäumt er innerlich in den unaussprechlichsten Ausdrücken, Herzchen», sagte Morag verständnisinnig.
    Das Gasthaus hinter Alton war eines jener alten, getäfelten Wirtshäuser, dessen Räume verschieden hoch liegen. Diese Art von Einkehrstätten sind im Laufe der Jahre harmonisch in die englische Landschaft hineingewachsen. Der Eintritt des Paares verursachte kein geringes Aufsehen. Morag trug nämlich jetzt ein gelbes Schlauchkleid aus Seide, das sie mit einer weißen Schnur gegürtet hatte, und goldene Sandalen.
    «Wie wäre es nach der Anstrengung mit einem kleinen Imbiß?» fragte George, der rasch sein Bier hinuntergoß. «Ich bin am Verhungern.»
    «Auch mir knurrt der Magen», sagte Morag.
    Sie betraten den leeren kleinen Speisesaal mit dem Fliesenboden, setzten sich gemütlich und griffen nach der Speisenkarte. Die Tür ging auf, und herein kam der Blattlaus-Fahrer.
    Die beiden Männer starrten einander wütend an. Es ist wirklich niederträchtig, einen Menschen, mit dem man auf der Straße Streit gehabt hat, beim Mittagessen wiederzutreffen. Aber ich nehme an, es gäbe kaum noch Unfälle, wenn sich das öfters zutrüge. Morag zog einen Spiegel aus ihrer Basttasche und begann ihr Gesicht einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Die Kellnerin mit der fleckigen Schürze und dem Stirnhöhlenkatarrh forderte sie auf, jetzt zu bestellen.
    «Roastbeef», wählte George.
    «Ja, ich bin ein richtiger Fleischtiger», schloß Morag sich ihm an.
    «Roastbeef», knurrte der Blattlaus-Fahrer, der das Rindfleisch deutlich als schwachen Ersatz für den Kopf Georges auf einem Servierteller betrachtete.
    Er schlug den Daily Telegraph auf und verschwand dahinter.
    «Ich wollte, ich wäre besser über das Leben auf dem Meer beschlagen», bemerkte George und brach damit die Stille, die so zäh wie eine Karamelle im Raum gelastet hatte. «Bisher bin ich immer nur geflogen.»
    «Aber, Herzchen, ich verstehe auch nicht mehr von Schiffen als vom Bergbau.»
    «Wie haben Sie dann den Posten bekommen?»
    «Anläßlich einer meiner Parties. Ich weiß es gar nicht so genau. Fabian weiß es wohl auch nicht.»
    «Aber angenommen, Sie werden seekrank?» fragte George beunruhigt.
    «Das werde ich todsicher, Herzchen. Ich kann nicht einmal an einem Gemälde, das das Meer darstellt, vorübergehen, ohne daß mir ganz schummrig wird.»
    Der Telegraph raschelte. «Kellnerin! Wasser!»
    «Glauben Sie, daß wir am Tisch des Kapitäns sitzen müssen?» fuhr George fort.
    «Ach, das wäre bestimmt grauenhaft.»
    «Ja, diese alten Seebären sind tödlich langweilig», nickte George.

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