Onkel Horatios 1000 Sünden
halbes Dutzend Kojen und kein Bullauge hatte und wie eine stark benutzte Badehütte am Meer an einem heißen Tag roch.
«Und ob ich mich beim Kapitän beschweren werde», murmelte er wütend vor sich hin.
Im gleichen Augenblick tauchte ein weißjackiger Steward auf, der ihm glücklicherweise die Einladung überbrachte, eben diesen Kapitän aufzusuchen.
Als er durch die Tür der Tageskabine unter der Kommandobrücke trat, konnte George sich nicht des Eindrucks erwehren, diesen Kapitän schon irgendwo getroffen zu haben. Er sah sich ihn genauer an.
«Himmel!» langsam breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht. Das war aber wirklich dick aufgetragen. «Aber Sie sind doch der alte - Sie sind der Fahrer des Wagens.» Er lachte auf. «Ich hätte Sie in dieser Aufmachung kaum erkannt. Das ist eine Lehre für uns beide, was? Na, lassen wir die Vergangenheit lieber begraben sein, jetzt, da wir beide in dem gleichen -»
«Stehen Sie stramm, wenn Sie mit dem Kapitän sprechen», brüllte Kapitän Kettlehorn.
George lachte noch lauter. «Ja, jetzt erkenne ich wieder den Fahrer dieser komischen alten Blechkiste in Ihnen. Diese Bemerkungen, die ich während des Mittagessens machte, waren natürlich-»
«Heiliges Kanonenrohr, stehen Sie stramm!»
Etwas im Gesicht des Kapitäns, das ihn nun aus einer Entfernung von knapp zwei Zentimetern anstarrte und die Augenbrauen wie elektrisierte Igel knistern ließ, brachte Georges Lachen zum Gefrieren und Absterben. Er wechselte in jene Kompromißhaltung über, die von Theaterbesuchern geübt wird, während sie die Nationalhymne anhören.
«Name?» herrschte Kapitän Kettlehorn ihn an.
«Churchyard.» 1
«Ich habe Sie nicht gefragt, wie Sie aussehen. Ich fragte Sie, wer, in drei Teufels Namen, Sie sind.»
«Aber ich heiße Churchyard.»
«Sir! Sie haben den Kapitän mit anzureden!»
«Es ist zugegebenermaßen ein recht ungewöhnlicher Name - Sir -» fuhr George fort und überlegte krampfhaft, wie er dieses Gespräch in normalere Bahnen lenken könnte. «Ich glaube, daß ich von Thomas Churchyard abstamme, dem Dichter und Soldaten, der im Jahre fünfzehn-»
«Ich habe nicht das geringste Interesse an den Einzelheiten Ihrer Zeugung, wie fesselnd die auch sein mag. Stehen Sie stramm!»
«Ja, selbstverständlich-»
«Sir!»
«Sir.»
Langsam zog Kapitän Kettlehorn sein Gesicht zurück. Er ließ sich schweigend in seinem Armstuhl nieder, zog eine Sherlock Holmes-Pfeife hervor und blies sie vernehmlich durch.
«Vielleicht würden Sie sich herbeilassen, mich wissen zu lassen», erkundigte er sich leise, wobei er seine Pfeife mit einem Tabak stopfte, der wie ein Weihnachtskuchen aussah, «worin Ihre Pflichten auf meinem Schiff bestehen?»
George fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Er glaubte, seekrank zu sein. «Ich bin der Alleinunterhalter», erklärte er. «Sir.»
«Und was tun Sie? Singen? Laute spielen? Frauen entzweisägen? Eh?»
«Ich bringe heitere Geschichten vor», gab George etwas lahm zu.
«Erzählen Sie mir eine davon.»
«Was, jetzt?»
Der Kapitän nickte. «Sie sagten, Sie seien der Alleinunterhalter. Bitte sehr. Unterhalten Sie mich allein.»
«Aber dazu benötige ich Musik und Beleuchtung und -»
«Zufällig bin ich mit einer außergewöhnlich lebhaften Vorstellungsgabe gesegnet.»
George schluckte. Seine Kehle fühlte sich an wie mit Löschpapier ausgelegt. «Das ist die Geschichte eines Indianerhäuptlings», begann er nervös. «Er war ein sehr reicher und fortschrittlicher Häuptling, und er hatte drei Squaws. Der Häuptling selbst schlief in einem breiten Doppelbett», schleppte George sich hartnäckig weiter, obwohl er zugeben mußte, daß er schon besser vorgetragen hatte. «Die drei Frauen aber folgten der alten Stammessitte und schliefen auf Fellen auf dem Boden. Die erste Squaw schlief auf einem Löwenfell, die zweite -»
Ein Telefon läutete.
«Kapitän. Ja? Hem...» Es folgte eine fünfminütige Unterredung über den Kreiselkompaß. «Fahren Sie fort», befahl Kapitän Kettlehorn und legte auf.
«Vielleicht sollte ich lieber noch einmal von vorn beginnen, Sir?»
«Da sei der Himmel vor.»
«Die erste Squaw schlief auf einem Löwenfell», fuhr George verbissen fort, «die zweite Squaw schlief auf einem Zebrafell und die dritte auf einer Nilpferdhaut. Als die Zeit gekommen war, gebar die Squaw, die auf dem Löwenfell schlief, einen Sohn. Natürlich war der Häuptling entzückt, Vater eines tapferen -»
«Weiter,
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