Onkel ist der Beste
Wunder, dachte Robert, daß Chapmans hübsches Gesicht ein wenig angespannt wirkte. Dieser junge Mann war Niederlagen nicht gewöhnt, und es war nicht zu erwarten, daß ihn die allgemeine Begeisterung über Alans Sieg freute.
Plötzlich wurde zur Meldung für den Wettlauf über eine halbe Meile aufgerufen, Judy sagte: »Komm, Terry, du mußt mitmachen. Wir sind jetzt prominent, und du mußt auch deinen Teil beitragen.«
Er machte keine Anstalten, ihr zu folgen. Dora drängte: »Tu es. An deinem Geburtstag wäre es besonders nett. Ein wunderbarer Abschluß des Tages. Und sieh dir doch die Männer an. Ja, ich weiß, sie haben richtige Rennschuhe, aber du kannst sie mit Leichtigkeit schlagen. Nur ein einziger — der Große mit dem netten Gesicht — könnte dir Schwierigkeiten machen.«
Terry sah zu dem Mann hinüber und fing plötzlich laut zu lachen an. »Sieh dir den Großen im Seidenhemd an«, flüsterte er dann Judy zu. »Ein Polizist. Bei unserem letzten Zusammentreffen hat er mich den Behörden übergeben. Es war zwar ein gutes Rennen, aber ich wurde durch einen wunden Knöchel behindert. Heute bin ich ihm schon eher gewachsen.«
Das versprach ein Drama ganz nach Judys gesetzlosem Herzen zu werden. Sie lachte und drückte seinen Arm. »Himmlisch. Und er hat dich auch erkannt. Ich habe gesehen, wie er stutzte und rot wurde. Terry, du mußt einfach gewinnen.«
Dann lief sie zurück, um die aufregenden Neuigkeiten ihrer Mutter und dem Onkel mitzuteilen, die zur Aschenbahn gingen, um Terry volle Familienunterstützung zu gewähren. Einen Augenblick lang war Robert entsetzt. Terry trat tatsächlich und mit voller Absicht gegen den Arm des Gesetzes an.
»Ja, aber das Gesetz hat heute Feierabend wie alle anderen. Warum nicht? Eigentlich sieht er recht anständig aus. Sieh mal, er ist sicher nett. Er ist auf Terry zugegangen, und sie haben sich die Hand gegeben. Er grinst, weil Terry etwas gesagt hat. Ja, er gefällt mir. Aber ist das nicht ein echter Jux?«
Die Zuschauer dachten dasselbe, denn die lustige Situation hatte sich schnell herumgesprochen. »Der Junge läuft gegen den Polizisten, der ihn gefaßt hat.« Der Polizeibeamte war hier fremd, und heute war Terry als einer der Ihren anerkannt worden. Abgesehen davon hätte allein die Tatsache, daß er bei Mrs. Moore lebte, die Zuschauer auf seine Seite gebracht. Aus allen Richtungen strömten die Männer zusammen, um zuzusehen. Die Frauen hielten sich mehr im Hintergrund, sie waren unsicher, sympathisierten zwar mit Dora und mit Terrys hübschem Gesicht, waren aber eher geneigt, den Arm des Gesetzes zu unterstützen. Es gab allgemeines Gelächter, als Terry seine Schuhe auszog und sich bereit machte, in Socken zu starten. Alle anderen Läufer trugen richtige Rennschuhe.
»So wird der nie gewinnen«, sagte eine Frau, aber ihr Mann erwiderte: »Da bin ich nicht so sicher. Er ist der richtige Läufertyp und hat jetzt den Teufel im Leib!«
Es war ein erregender Wettlauf. Fast von Anfang an war klar, daß eigentlich nur zwei zählten. Sie zogen in den ersten hundert Yards davon und kämpften das Rennen Zoll für Zoll aus. Der Polizeibeamte war ein guter Läufer. Aber Terry wollte gewinnen, und wenn ihm dabei eine Ader platzte. Er lief mit Überlegung, erlaubte dem anderen, das Tempo anzugeben, spurtete aber im Finish gewaltig und schlug seinen Rivalen um einige Fuß.
Es wurde der populärste Sieg des Tages. Lautes Gelächter und Beifall ertönte, und schließlich ging eine Woge der Begeisterung durch die Menge, als der Polizeibeamte auf Terry zuging und ihm gratulierte. Sie blieben beisammen stehen, lachten und redeten, und Judy, die hinüberlief, um Terry auf die Schulter zu klopfen, hörte, wie der Beamte sagte: »Sehr gut, junger Mann. Das waren Sie mir schuldig. Es freut mich, Sie wiederzusehen — Sie auf diese Art wiederzusehen.«
Als sie an jenem Abend zu Hause ankamen, sagte Dora: »Alles in allem war es für Terry ein herrlicher Geburtstag. Colin, Sie haben sich auch wacker gehalten.«
Chapmans Lächeln war nicht weniger charmant als sonst, seine Augen aber waren kalt, als er etwas spöttisch antwortete: »Danke, Mrs. Moore. Ich war nicht allzu glänzend. Schließlich bin ich es nicht gewöhnt, mich gegen so gut trainierte Konkurrenten behaupten zu müssen.«
Aber diese Bemerkung störte die Zufriedenheit der übrigen nicht.
11. Kapitel
Kurz vor Ostern bekam Robert einen Brief von John Powell.
»Hier läuft alles gut«, schrieb er.
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