Onkel Robinson
Schuld, daß wir sie nicht essen können! Sie hier sterben zu lassen, ohne daß jemand etwas davon hat, wäre unnötig und grausam. Her mit den Stöcken.«
Wieder setzten sie ihre Stöcke wie Hebel an und wuchteten das Reptil in seine normale Stellung zurück. Dann traten Flip und Marc ein paar Schritte zur Seite. Zuerst rührte die Schildkröte sich überhaupt nicht; als sie keinen Laut mehr vernahm, streckte sie den Kopf heraus, lugte mit ihren großen Augen umher, und dann kamen auch ihre abgeflachten, ruderförmigen Beine zum Vorschein. In einem Tempo, das für sie wohl einem »Galopp« gleichkam, kroch sie dann zum Meer und war bald in den Fluten verschwunden.
»Gute Reise, Schildkröte!« rief ihr Flip halb verstimmt, halb belustigt hinterher. »Du kannst wahrlich von dir behaupten, daß du ein Glückspilz von einem Reptil bist!«
Dann setzten Marc und der Seemann ihren durch diese Begegnung unterbrochenen Marsch fort. Bald gelangten sie zu der Stelle, von der der Junge erzählt hatte. Sie sahen eine Abfolge von flachen und sehr rissigen Felsen, die mit Austern bedeckt waren. Flip stellte fest, daß die Weichtiere leicht aufzusammeln waren. Es war eine riesige Austernbank mit Tausenden von Exemplaren. Die Tiere waren nur mittelgroß, schmeckten aber hervorragend, wie Flip und Marc feststellen konnten, als sie einige Austern probierten, deren Schalen einen Spalt weit offenstanden. Sie sahen zum Verwechseln den bretonischen Cancale-Austern ähnlich, einer der besten eßbaren Arten. Der Abtransport der Austern war kein Problem. »Bei ruhiger See und Landwind«, sagte Flip, »werde ich einmal mit dem Boot die Riffe umfahren und in weniger als einer Taulänge von dieser Bank vor Anker gehen. Dann laden wir das Boot mit den ausgezeichneten Weichtieren voll und transportieren sie zur Felswand, wo sie uns dann stets zur Verfügung stehen.«
An jenem Tag sammelten Marc und Flip mehrere Dutzend Austern, die sie zum Lagerplatz mitbringen wollten. Das war schnell geschehen, und eine Dreiviertelstunde später waren sie an der Grotte zurück.
Die Weichtiere waren allen willkommen, und es wurde beschlossen, sie bei der nächsten Mahlzeit als Hauptgericht zu verzehren.
Die Schwierigkeit bestand aber darin, die Austern zu öffnen, ohne dabei das Messer zu verbiegen, an dem Flip aus verständlichen Gründen ganz besonders hing. Hätten sie noch glühende Holzscheite gehabt, dann hätten sie die Austern ganz einfach daraufgelegt, und sie wären von selbst aufgegangen – abermals spürten sie, wie sehr sie des Feuers entbehrten.
Flip öffnete also die Austern mit dem Messer. Die Kinder saßen um ihn herum und sahen ihm mit begreiflichem Interesse zu.
Bei der achten Auster hatte Flip das Messer etwas ungeschickt angesetzt, und plötzlich vernahmen sie ein Knacken.
Die in der Mitte abgebrochene Klinge fiel auf den Tisch.
»Verflucht!« rief Flip, der seinen Zorn nicht zu bezähmen vermochte.
Kein Feuer mehr! Sein Messer zerbrochen! Was sollte jetzt aus ihm werden? Und was aus den lieben Menschen, deren Schicksal er sich ganz und gar verschrieben hatte?
Kapitel 13
Hatte sich denn gegen diese Unglücklichen der Himmel verschworen? Nach den beiden Vorfällen mit der erloschenen Feuerstelle und dem zerbrochenen Messer war man versucht, es zu glauben!
Flip war nach diesem jüngsten Schicksalsschlag aus der Grotte gegangen und hatte den nunmehr unnützen Messergriff weit fortgeworfen. Die Kinder waren stumm und reglos sitzengeblieben. Sie hatten die Tragweite dieses unersetzbaren Verlustes erfaßt.
Da erhob sich Mrs. Clifton, deren Augen vor Müdigkeit und Schmerz gerötet waren. Sie drückte die Hand auf die beklemmte Brust und verließ die Grotte.
Sie ging zu Flip, der mit verschränkten Armen zu Boden starrte. Sie rief seinen Namen.
Flip hörte sie nicht einmal.
Mrs. Clifton ging noch näher zu ihm hin und berührte ihn leicht am Arm.
Da drehte Flip sich um. Er weinte! Ja! Es flossen ihm dicke Tränen über die Wangen.
Mrs. Clifton nahm ihn bei der Hand.
»Flip, mein Freund«, sagte sie mit ihrer sanften, ruhigen Stimme, »in den ersten Tagen nach unserer Ankunft an dieser Küste, als ich verzweifelt war und mein Schmerz mich fast überwältigt hätte, da sind Sie zu mir gekommen und haben mir wieder Mut gemacht. Sie haben mir meine vier Kinder gezeigt, für die ich weiterleben mußte! Und jetzt, wo sie mich stark gemacht haben, muß ich da nicht Ihnen Mut machen und zu Ihnen die gleichen Worte sprechen, deren Sie
Weitere Kostenlose Bücher