Onkel Robinson
essen.«
»Na schön!« rief Flip. »Wenn diese Bank unerschöpflich ist, dann essen wir eben Dutzende und Aberdutzende von Austern! Außerdem kann man sie leicht zu sich nehmen, und es ist wohl noch kein Fall bekannt, daß sich jemand an Austern den Magen verdorben hätte.«
»Dann bringe ich die gute Nachricht gleich meiner Mutter«, sagte Marc.
»Warten Sie noch, sehen wir uns die Austernbank erst einmal an, dann wissen wir genauer, woran wir sind.«
Am folgenden Tag, dem 26. April, gingen Marc und Flip an der Westküste in Richtung Süden und überquerten dabei die Dünenreihen. Drei Meilen vom Lagerplatz entfernt wurde das Ufer felsig. Auf äußerst malerische Weise lagen riesige Steinblöcke aufeinander und bildeten – wie etwa auch an den Küsten der Bretagne – dunkle, hohe »Kamine«, in die das Meer sich bei Flut donnernd ergoß. Weiter draußen zeichneten sich in mehreren Reihen gestaffelte Klippen ab, die es selbst einem kleineren Boot unmöglich gemacht hätten, an diesem Küstenteil zu landen. All diese Felsen schäumten in der Brandung, und die Linie der Riffs setzte sich bis zu dem südwestlich gelegenen Kap fort.
Hinter den am Ufer emporragenden Felsen erstreckten sich weite, etwas höhergelegene Ebenen, richtiges Heideland, bewachsen mit Stechginster und Erika. Diese karge Landschaft bildete einen augenfälligen Kontrast zu der immergrünen Umgebung der Felsenwand. Hier standen die Bäume erst mehrere Meilen vom Ufer entfernt auf den ersten zur Berglandschaft gehörenden Kuppen. So machte die Gegend einen öden Eindruck.
Flip und Marc gingen immer weiter nach Süden, und obwohl sie nah nebeneinanderher marschierten, wechselten sie nur wenige Worte. Der Seemann versuchte, seinem Gehirn irgendeinen Einfall zu entlocken, aber ohne Erfolg. Nur ein einziger Gedanke beherrschte ihn. Unter seinen Füßen knirschten leere Muschelschalen, die man zu Millionen hätte zählen können. An der Unterseite flacher, von der Flut überspülter Felsen klebten in großer Anzahl Strandschnecken, ausgezeichnet mundende Weichtiere, die aber gekocht werden mußten. Also kamen sie für eine Verwendung nicht in Frage.
Das gleiche galt für ein Reptil, über das sie unter anderen Umständen in helle Freude ausgebrochen wären. Es handelte sich um eine Schildkröte, und zwar um ein Prachtexemplar der Gattung Mydax mit herrlichem grünschillerndem Panzer. Als erster hatte Flip die Schildkröte gesehen, die zwischen Felsen hindurch zum Meer kriechen wollte.
»Zu mir her, Monsieur Marc, helfen Sie mir!« rief er.
»Oh, was für ein schönes Tier!« rief der Junge aus. »Aber wie sollen wir es fangen?«
»Nichts leichter als das«, antwortete Flip. »Wir drehen es auf den Rücken. Nehmen Sie Ihren Stock und machen Sie es wie ich.«
Das Reptil witterte die Gefahr und zog sich zwischen Rückenpanzer und Bauchschild zurück. Weder Kopf noch Beine waren mehr zu sehen. Das Tier lag reglos da wie ein Stück Fels. Da steckten Flip und Marc ihre Stöcke unter die Brust der Schildkröte und drehten sie mit vereinten Kräften auf den Rücken. Das einen Meter lange Tier war mindestens zweihundert Kilo schwer.
Als das Reptil so dalag, streckte es ein wenig seinen kleinen, flachen Kopf heraus, der sich nach hinten zu durch große, unter dem Schädeldach verborgene Schläfengruben erweiterte.
»Und jetzt Flip«, fragte Marc, »was machen wir jetzt damit?«
»Was wir damit machen, junger Herr? Ich weiß es wirklich nicht! Ja, wenn wir Feuer hätten und dieses prächtige Tier zubereiten könnten, was glauben Sie, was für eine gesunde und wohlschmeckende Mahlzeit uns dann bevorstünde! Das ist eine Meeresschildkröte; sie ernährt sich von Seegras, und ihr Fleisch ist zart und delikat! Man macht daraus die berühmte Schildkrötensuppe …«
Wie ein enttäuschter Feinschmecker redete der wackere Seemann daher, und man hätte herzhaft darüber lachen können, wenn ihre Lage nicht so ernst gewesen wäre. Mit was für Augen er die Schildkröte ansah, und wie er dabei die spitzen, weißen Zähne bleckte! Tüchtiger Flip, dieser Anfall von Eßlust sei dir verziehen!
Marc hörte seinem Gefährten zu und verstand auch all das, was dieser nicht aussprach. Da dachte er an den Wolkenbruch zurück und machte sich wieder Vorwürfe!
»Los jetzt«, sagte Flip und stampfte auf, »hier haben wir nichts mehr verloren. Gehen wir weiter.«
»Und die Schildkröte?« fragte Marc.
»Na ja«, fuhr der Seemann fort, »eigentlich ist es nicht ihre
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