Onkel Schwein (German Edition)
Teever mit dem Gedanken spielte, Schlaftabletten zu nehmen. Er hatte es nie getan und war sich später auch nicht sicher gewesen, ob er damals wirklich hatte sterben wollen. Rückblickend sah Teever es eher als dramatische Idee an, Catharina auf diese Art seine Liebe zu beweisen oder sie an sich zu binden. Tief im Innersten wusste er, dass er sie mit seiner Art der Zuneigung erdrückte. Es war verrückt: Er zweifelte an ihrer Liebe und bestärkte damit Catharinas Zweifel. Aber auch seine. Am Ende war er nur glücklich, wenn sie bei ihm war. Jede Minute ohne sie schien ihm verschwendete Zeit. Und Catharina empfand nur Glück, wenn sie nicht mit ihm zusammen war. Das spürte er und hatte ihn wütend gemacht, doch er hatte Angst, Catharina diese Wut zu zeigen. Aus Angst, dass sie ihrerseits wütend werden würde. Mit traurigen Menschen hatte er Mitleid. Vielleicht auch sie? Also wurde er immer trauriger.
Wilhelmsson hatte mehrfach die Vermutung geäußert, dass Teever krank, depressiv, werden könnte. Zumindest wäre er traumatisiert. Tatsächlich zeigte er alle Symptome eines Traumas: Zittern, Appetitlosigkeit, Schreckhaftigkeit. Außerdem vergaß er ständig etwas und ließ andauernd Dinge fallen. Wilhelmsson hatte ihn inständig gebeten, sich in ärztliche Obhut zu begeben – und Teever das genauso vehement abgelehnt. Er wäre nicht verrückt und würde ganz bestimmt nicht zu einem Seelenklempner gehen. Die Tabletten, die ihm ein gelangweilter Amtsarzt bei einer dienstlich angeordneten Visite gegeben hatte, waren bald in einem Schrank oder Jackentaschen vergessen. Er hätte nur eine schwere Zeit gehabt und das ginge schon vorbei. Jeder habe doch gelegentlich lustlose Phasen. Eine Depression wäre keine Erkältung, hatte sein Kollege daraufhin geantwortet, doch Teever hatte das Gespräch brüsk beendet. Er wäre nicht depressiv. Basta. Vielleicht ein wenig ausgebrannt. Burn-out. Bevor es modern wurde.
Einen anderen Rat von Wilhelmsson hatte er dann allerdings angenommen. Obwohl er Teever für einen der talentiertesten Ermittler halten würde, mit dem er je hatte zusammen arbeiten dürfen, lautete Wilhelmssons Ratschlag, dass Teever den Dienst bei der Kripo beenden solle, um endgültig den Kanuverleih zu übernehmen. Es war paradox: Eigentlich war Teever völlig antriebslos und wusste, was alles an Arbeit, ungewohnten Tätigkeiten und Verantwortung auf ihn zukommen würde. Aber irgendwas zog ihn, wie ein tieferer Sinn, den er noch nicht zu erfassen in der Lage war. Es konnte eine Katastrophe werden, zumindest eine finanzielle. Catharina hatte dementsprechend sogar einmal schallend gelacht. Du kannst ja schlechter mit Geld umgehen als unsere Regierung und kaum einen Nagel gerade in die Wand schlagen, hatte sie gesagt und ihn damit mehr verletzt, als er damals geahnt hatte.
Aber er spürte auch eine Vorfreude, eine Herausforderung, die ihm neues Leben einhauchte. Herausforderung: Eine Formulierung, die er belächelte. Seine Vorgesetzten hatten nach umfangreichen Personalschulungen festgelegt, dass man nicht mehr von Problemen sprach, sondern Herausforderungen zu bewältigen hatte. Das war viel positiver.
Nach langen Gesprächen mit Wilhelmsson und einem Besuch bei Bergström hatte er zum ersten Mal, seit er mit Catharina zusammen war, sich bewusst dafür entschieden, keine Rücksicht auf sie zu nehmen. Das dachte er zumindest damals. Später war ihm klar geworden, dass er sich nicht für den Kanuverleih entschieden hatte, weil er es wollte, sondern weil es seine Tante so gewollt hatte und Wilhelmsson. Und weil Catharina es nicht gewollt hatte.
Aber damit hatte auch zunächst das Hoffen ein Ende. Und das Heucheln. Zuletzt hatte er sich gefragt, ob seine Liebesschwüre an Catharina überhaupt noch echt waren. Oder nur ein letzter Strohhalm. Er hatte sich eingestehen müssen, dass er sich getäuscht hatte: Seine Liebe langte nicht aus, um für zwei zu reichen. Und sie war endlich und nicht für die Ewigkeit, wie er bis dahin geglaubt hatte.
Am Tag der Umschreibung im Grundbuchamt war Catharina ausgezogen. Eine kurze Umarmung, ein letzter Kuss auf die Wange. Teever hatte an die Worte seiner Tante gedacht: Wer weiß, wofür das alles gut ist. Seitdem war er ein Suchender geworden. Ein Suchender mit der Angst, nicht zu wissen was er tun sollte, wenn er sein Ziel gefunden hatte. Merkwürdigerweise hatte er aber auch ine Art Befreiung gespürt. Ganz kurz nur, aber sie war da gewesen.
Das war nun über drei Jahre her,
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