Onkel Schwein (German Edition)
dem Neuschnee sofort weitergezogen und hatte klirrendem Frost unter einem strahlend blauen Himmel Platz gemacht. So sollte es sein, dachte Zavadil und betrachtete die Tannen, die mit dickem Pulverschnee bedeckt den Weg säumten. Es war noch relativ früh am Vormittag, aber der Weg nach Backen war bereits geräumt. Zavadil hatte sich schon gefragt, ob er die Steigungen überhaupt schaffen würde. Auch die Post musste sparen. Und wenn es an den Autos war, die jetzt viel länger als früher gefahren wurden und Geräusche wie seine lungenkranke Nachbarin von sich gaben.
Normalerweise brauchte er gar nicht nach Backen, aber an diesem Tag hatte Zavadil ein Einschreiben dabei, das er persönlich übergeben musste. Für die normale Post hatte der Hof seinen Briefkasten an der Hauptstraße, doch die Waldéns bekamen fast nie Post. Wahrscheinlich waren sie schrecklich einsame Menschen, dachte Zavadil und wunderte sich. Wie allein man auf der Welt auch war: Rechnungen bekam normalerweise jeder. Oder Werbung. Die beiden jedoch nicht, aber vielleicht hatten sie ein Postfach in der Stadt.
Er musste an einen Mann denken, der sich selbst Briefe schrieb, damit der Postbote vorbeikam und er mit ihm einen Plausch halten konnte. Traurig. Zavadil konnte von beidem ein Lied singen, von Einsamkeit und von unbezahlten Rechnungen. Seine Eltern, mit denen er vor vielen Jahren aus der damaligen Tschechoslowakei nach Schweden gekommen war, ruhten auf dem Friedhof, seine Schwester war nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Prag zurückgegangen und seine Frau hatte ihn im letzten Jahr verlassen, um mit seinem besten Freund zusammenzuleben. Kinder hatten sie leider nie bekommen.
Ihm war nur sein Job als Landbriefträger geblieben. Der machte wenigstens Spaß. Am liebsten hätte er nur noch gearbeitet. Zu Hause warteten eine verlassene Wohnung, vertrocknende Gummibäume, eine röchelnde Alte nebenan und ihm wie Hohn vorkommende Unterhaltsforderungen seiner Frau.
Eine schwarze Katze schlich geschmeidig durch den Schnee. Sie verharrte in der Bewegung, die rechte Pfote vorgestreckt. Plötzlich erschlaffte sie. Zavadils Auto würde die Maus oder was die Katze entdeckt hatte, vertrieben haben.
„Tut mir leid, Mieze“, entschuldigte er sich. Er mochte Tiere mehr als Menschen.
Zavadil wunderte sich, dass der Weg zum Haus noch nicht vom Schnee befreit war. Verschliefen Waldéns etwa den wundervollsten Morgen des Jahres? Der Schuppen wirkte wie eine Garage, aber es führten keine Reifenspuren heraus.
Er stellte seinen blau-gelben VW vor einem Stall ab und stieg aus. Die sanft abfallende Wiese vor ihm wirkte mit ihrer glitzernden Oberfläche wie ein unberührter Spiegel oder ein windstiller See. Es war ihm, als könne er mit den Händen über das funkelnde Silber streichen. Wunderschön; einer dieser Momente, für den er seinen Beruf liebte. Leider roch es etwas unangenehm und trug Zavadil eine Erinnerung zu, die er nicht fassen konnte.
„Hier müsste mal ausgemistet werden“, sagte er zu sich selbst und drückte ein kleines schmiedeeisernes Gartentor auf. Der Schnee presste sich in Streifen durch die blass grünen Stäbe wie ein Ei durch einen Eierschneider.
Zavadil ging zur Haustür und drückte den abgenutzten Klingelknopf. Ein tiefes Summen war zu hören. Er wartete, klingelte erneut, doch niemand öffnete. Er klopfte. Nichts.
Sind wohl wirklich nicht da, dachte er und nahm einen Block mit Benachrichtigungszetteln aus der Jackentasche. Zavadil kritzelte ein paar Linien an den Rand des Zettels, weil der Stift streikte. Dann füllte er das kleine Formular aus. Folke Waldén musste nun eben nach Växjö kommen und seinen Brief selbst abholen. Zavadil steckte den Zettel in einen Spalt der Tür und ging zurück zum Wagen. Der strenge, unangenehme Geruch wurde stärker.
Merkwürdig, dachte er, das riecht nicht nach Stall oder Mist.
Neugierig geworden, drückte er die schwere Klinke der Stalltür herunter.
Torbjörn Teever erwachte vom Sonnenschein. Er schob die Gardine aus heller Nessel zur Seite und stellte überrascht fest, dass der Wetterbericht Wort gehalten hatte. Alles war weiß. Endlich war der Herbst vorbei.
Er sprang förmlich aus dem Bett, ging zur Toilette, putzte die Zähne und schlüpfte in seine Klamotten vorm Vortag, die unordentlich auf dem Badezimmerboden lagen. Einer der Vorteile, die das Leben ohne Catharina brachte. Sie hatte Unordnung gehasst.
Teever ging in die große Wohnküche, füllte die Kaffeemaschine mit
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