Onkel Schwein (German Edition)
noch nie von Raketen geträumt, doch vor einiger Zeit hatte er Apollo 13 im Fernsehen gesehen.
Auch wenn er den guten Ausgang der Mondmission kannte, waren ihm damals die Szenen, in denen alle auf die Rettung hofften, sehr nahe gegangen. Er hatte nichts dagegen unternehmen können, dass ihm Tränen aus den Augen rannen. Wie der Familie des Astronauten, die gebannt vor dem Fernseher saß und bangte.
Das Warten auf Rettung. Teever hatte sich sehr über seine Reaktion gewundert und daran gedacht, wann er zuletzt geweint hatte. Das war nicht aus körperlichem Schmerz, sondern aus Enttäuschung, vielleicht auch aus Wut passiert, als er in der Zeitung von der Segeltour Axelssons nach Spitzbergen gelesen hatte.
In Wachphasen hatte Teever an die Zimmerdecke gestarrt und auf seine Lieblingsuhrzeiten gewartet. Das Umschlagen von 23.59 auf 0.00 Uhr war immer sehr schön; er liebte aber auch die Symmetrie von 0.10 oder 1.11 Uhr. Die digitalen Zahlen ohne Mittelstrich waren seine Favoriten.
Lisa murmelte etwas im Schlaf. Da Teever nicht ruhig liegen konnte, er sie aber nicht wecken wollte, war er gegen 3 Uhr leise aufgestanden.
Er machte sich einen Kaffee, nahm das Buch Waldéns und setzte sich an den Küchentisch. Gegen die Kälte hatte er sich in eine karierte Decke eingewickelt. Um aus dem Fenster zu sehen, musste er Eisblumen von der Scheibe kratzen. Der Himmel war sternenklar. Wunderschön.
Das Buch war wirklich schlimm.
In einem pseudo-wissenschaftlichen Stil berichtete der Ich-Erzähler, ein spanischer Konquistador, von den sexuellen Riten der Mayas. Procul Harum kam ihm in den Sinn. Eines seiner Lieblingslieder.Für immer besudelt. Die Handlung erinnerte Teever an einen dieser billigen Pornos. Ein ganz klein wenig Beiwerk, minimale Rahmenhandlung, um dann sofort wieder auf das Wesentliche zu kommen. Rammeln, was das Zeug hält.
„Der Gehilfe des Priesters hatte dem Jungen den festlichen Umhang abgenommen. Nur ein hosenartiger, heller Stofffetzen bedeckte die Genitalien und hob sich von der dunklen Haut des Jungen ab, der mit ausgestreckten Armen und Beinen angebunden auf dem Stein lag. Schutzlos, wehrlos. Ohne Hoffnung. Dem Schicksal ausgeliefert. Die Augen vor Schreck geweitet. Der Priester stank nach Tabak und Minze. Er schien von Damiana und Pilzfleisch berauscht zu sein.. Er griff in den Schritt des Jungen und zerschnitt den bedeckenden Stoff mit einem kunstvoll verzierten Messer. Dann murmelte er eine Beschwörungsformel und beugte sich über den zitternden Jungen. Sein Mund berührte die Penisspitze, dann steckte er mit einem Ruck zwei Seeigelstacheln hinein. Der Junge konnte sich nicht bewegen. Das Blut tropfte auf ein Pergament. Komme zu deinem Vater, murmelte der Mann kaum hörbar. Komm.
Teever konnte nicht weiterlesen. Bestürzung, Abscheu und Erinnerungen mischten sich zu einem wirren Brei. Er kämpfte mit den Tränen und vor allem konnte er Lisas Entsetzen vom Vorabend immer besser verstehen. Zuletzt war er nur noch quer über die Seiten gewandert. Und das alles völlig nutzlos. Er fand keine Hinweise auf die Realität, nichts, das ihm Waldén oder dem Täter nähergebracht hätte. Er fragte sich, was für ein Verleger so einen Schund druckte. Das konnte doch nicht legal sein. Er blätterte nach vorn. Kein Schmutztitel, kein Hinweis auf den Verlag.
Teever dachte darüber nach, ob die Bücher schon in Waldéns Haus in Backen gelegen hatten, als seine Frau noch gelebt hatte. Wenn ja, musste sie hart im Nehmen gewesen sein. Dann fiel ihm ein, dass er in dem Regal einige andere Bücher auf dem Rücken lagen. So, als ob er den Platz benötigt hatte, den sie vorher eingenommen hatten.
Er wollte das Buch schon zur Seite legen, als er zufällig auf die letzten Seiten blickte. In großen Lettern wurde für weitere prickelnde Erotik geworben. Man müsse es unbedingt lesen: Palle Wallströms „Ungeduld“, die schonungslose Tatsachengeschichte eines Mannes, der eine Frau und ihren Sohn zum Gruppensex zwingt.
Es folgten einige fiktive Pressestimmen.
Gut, Aftonbladet hätte sich vielleicht noch zu der Zeile „Der neue Wallström ist geil“ hinreißen lassen, dachte Teever. Aber Dagens Nyheter hätte bestimmt nicht geschrieben: Spannung, Erotik, Lust – Wallström ist gnadenlos geil.
Was dann folgte, war ein kurzer Textauszug, der in Teever die Alarmglocken schrillen ließ:
„Die zierliche Frau wand sich beim Anblick des nackten, riesigen Mannes in kaum zu bändigender Lust. Komm, mein Hengst, schrie
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