Onkel Schwein (German Edition)
Waldén geschlafen. Oder er war betrunken. Es könnte auch beim Sex gewesen sein. Aber war Annika Aulin eine derart berechnende und zu einem hinterhältigen Plan fähige Frau? Außerdem hatte er ihre Reaktion als sehr glaubwürdig empfunden, als sie ihm unter Tränen die Vaterschaft Waldéns bestätigt hatte. Allerdings könnte sie irgendwie von den pädophilien Neigungen Waldéns erfahren haben. Oder hatte er womöglich schon… Nein, das Bild fehlte ja noch im Ordner 365. Trotzdem sollte sich ein Psychologe mal mit dem Jungen unterhalten. Oder ihn Bilder malen lassen. Doch das war Sache der Polizei.
In der Ferne kam sein Haus in Sicht. In der Küche schien Licht zu brennen.
„ Wusstest du, dass sie auf der Beerdigung von Waldén war?“
Teever verneinte.
„Er war immerhin der Vater ihres Sohnes“, fügte Wilhelmsson hinzu, „doch hat sie die Kaltblütigkeit, zur Bestattung ihres eigenen Mordopfers zu gehen?“
„War sonst noch jemand da?“ fragte Teever anstelle einer Antwort.
„Zwei oder drei alte Bekannte. Kein Verwandter. Man konnte niemanden auftreiben. Muss eine traurige Veranstaltung gewesen sein.“
Wie Beerdigungen nun mal so sind, dachte Teever.
„Was sagt sie zu den Anschuldigungen?“ fragte er Wilhelmsson.
„Streitet natürlich alles ab. Allerdings haben wir bei ihr ein paar Zeitungsartikel und Ausdrucke aus dem Internet gefunden, die sich mit Erbrecht befassen. Sie sind teilweise vor dem Mord an Waldénerschienen oder ausgedruckt worden. Und wir wollen das Luftgewehr nicht vergessen.“
Oder die Pistole, dachte Teever, in seinen Gedanken ganz woanders.
Die verneinende Antwort auf seine kürzlich gestellte Frage, ob man bei Borg oder Kent eine wertvolle Uhr gefunden hatte, nahm er kaum noch wahr. Er hatte sie ja bereits gekannt.
Im Flur warf Teever seine Jacke an die Garderobe, wechselte die Stiefel gegen ein paar alte Hausschuhe, die er mit dem Haus übernommen hatte und schlurfte in die Küche. Entgegen seiner Erwartung sah er jedoch nicht Helgi bei dem unvermeidlichen Becher Kaffee, sondern Lisa. Sie saß am Tisch, vor sich eine Tasse Tee. Sie blickte von einem Buch auf und sah ihn erfreut, aber auch aufgewühlt an.
Bei Teever überwog die Freude und er wollte sie in den Arm nehmen. Doch irgendwas schien sie zu beschäftigen. Trotzdem lächelte sie ihn an.
Anstatt „Schön, dass du da bist“ fragte er: „Was ist los?“
Sie zeigte auf das Buch.
„Ich wollte dich überraschen. Dabei habe ich das hier“, sie zeigte auf das Buch, „gefunden.“
Ihre Stimme verriet Unsicherheit.
Teever fiel ein Stein vom Herzen.
Das Buch Waldéns. Oder Bengtsons. Das hatte er noch gar nicht näher angesehen, doch schon der Klappentext hatte eine Menge Widerlichkeiten versprochen.
„Und jetzt glaubst du, ich lese solchen perversen Scheiß?“
Sie wurde rot.
„Ich, äh“, stotterte sie. Allmählich ging ihr auf, dass sie daneben gelegen hatte.
Doch Teever quälte sie noch ein wenig.
„Was soll ich sagen. So wenig Vertrauen hast du in mich? Ich bin verletzt. Zutiefst verletzt.“
Er schniefte einmal.
Endlich musste Lisa lachen.
„Es tut mir leid. Bei diesem Thema reagiere ich gelegentlich über.“
Sie küsste ihn.
Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, nahm Teever das Buch zur Hand.
„Das hat das Mordopfer, Waldén, unter einem Pseudonym verfasst. Ich weiß auch nicht, warum ich es mitgenommen habe. Vielleicht, um noch mehr über ihn zu erfahren.“
„Es ist widerlich. Schund. Pervers“, sagte Lisa.
„Glaube ich. So war er. Durch und durch. Und trotzdem hat er es seiner Schwester gewidmet.“
Teever schlug die erste Seite auf.
Lisa schüttelte den Kopf. „Unglaublich.“
Dann fügte sie hinzu. „Da kann man ja den Spaß am Sex verlieren.“
Mit einer blitzartigen Armbewegung wischte Teever das Buch vom Küchentisch.
„Das wollen wir ja nun auf gar keinen Fall“, sagte er mit heiserer Stimme.
29. Dezember: Natalie
Obwohl Teever im Arm von Lisa eingeschlafen war, hatten ihn Albträume gequält. Dunkle Gedanken, die wie Tiere aus den Spalten und Windungen seines Gehirns krochen. Man konnte nicht alles haben.
Axelsson und er waren in einer Art Rakete auf dem Weg zum Mond, als diese zu explodieren drohte. Plötzlich hatte ihnen jemand aus dem Wasser um sie herum eine Hand ausgestreckt und sie auf eine kalte, karge Insel gezogen. Im Traum war es völlig – und Teever unerklärlich – normal vorgekommen, dass der Weltraum aus Wasser bestand. Teever hatte
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