Onkel Schwein (German Edition)
gehäutet, das Fell gegerbt und aufgespannt. Waldén wurde von einem Jäger in den Stall gehängt. Von einem Jäger, der aus irgendeinem Grund Freude daran verspürte, ihm mit Luftgewehrmunition in den Penis zu schießen.“ Teever machte eine Pause.
Eva Axelsson hatte inzwischen ganz offen die Hand ihres Sohnes gegriffen. Teever empfand fast so etwas wie Rührung für die Geste.
Er sah Kent an. Versuchte seinen Blick zu deuten. War es Verwirrung? Etwas schien in seinem Kopf vorzugehen.
„Kent, wo ist die Pistole?“ fragte Teever.
„Weiß ich nicht.“ Die Antwort kam langsam, so, als ob er in Gedanken woanders war.
Kent sah seine Mutter an.
Plötzlich ergriff Eva Axelsson das Wort.
„Und was, wenn ich es gewesen wäre? Wenn ich mich an diesem, wie hieß er noch, Waldén, gerächt hätte? Wenn man annähme, dein Märchen stimmt.“
Teever stöhnte leise auf und ließ den Kopf auf die Brust fallen.
Kent sagte: „Mama.“
„Eva, verschone mich bitte mit der ‚Dann-nehme-ich-die-Schuld-auf-mich-Nummer’ der liebenden Mutter.“
„Ich nehme gar nichts auf mich. Ich zeige dir nur, dass man alles in deine spärlichen Fakten deuten kann. Wenn du Beweise hättest, Torbjörn, dann würde Kent schon längst wieder im Gefängnis sitzen.“
„Dann erzähle mal“, forderte Teever sie auf und setzte sich halb auf den Esstisch. Trotz der Situation hatte sie noch die Ruhe, ihm dafür einen missbilligenden Blick zuzuwerfen.
„Es ist ganz einfach. Kent hat bei diesem Waldén eingebrochen. Der Mann war betrunken und hat angegeben, sich regelmäßig an Kindern zu vergehen und jede Schlampe ins Bett zu bekommen. Trotz seines Zustandes hat er erkannt, dass Kent eines dieser Kinder ist.“
Was soll das denn für ein Zufall gewesen sein, die Augenklappe hat Kent doch nicht mehr, dachte Teever, sagte aber nichts.
„Es kommt zum Kampf. Kent denkt, dass er den Mann umgebracht hat, ist völlig außer sich und ruft mich an. Ist in Panik. Ich fahre also hin und erkenne, dass es sich wirklich um das Schwein von damals handelt. Was für ein schrecklicher, unglaublicher Zufall. Da lebt dieses Schwein nur ein paar Kilometer entfernt. Ich schicke Kent weg. Er soll sich seine Zukunft nicht noch weiter verbauen. Der Mann ist zwar groß, aber bewusstlos. Ich schleife ihn in den Stall und hänge ihn mit einem Flaschenzug auf.“
Sie zeigte auf sich und ihr Bein und sah Teevers zweifelnden Blick.
„Der lag da rum. Du weißt, dass ich zwar schmächtig, aber zäh bin. Und viel Kraft in den Armen habe.“
Sie lachte bitter.
„So hat alles auch sein Gutes.“
Das stimmte. Teever fiel wieder der Leitspruch seiner Tante ein: Wer weiß, wofür es gut ist. Und er dachte an Evas festen, schmerzhaften Händedruck.
Er nickte.
„Das galt auch für die Luftpistole, die ich Kent abgenommen habe. Wie praktisch. Er hängt da so. Ein tolles Ziel.“
Sie visierte über ihren ausgestreckten Arm, mit erhobenem Daumen Teever an.
„Peng. Es gibt nur ein ganz leises Geräusch, wenn das Geschoss eindringt. Und dann ritze ich noch mit einer Nagelfeile in seinen Bauch das, was er ist. Ein widerwärtiges, ekelhaftes Schwein. Das tat so gut. Er blutet ganz langsam aus. Wie ein Reh. Oder eben ein Schwein. Danach fahre ich nach Hause und bin zum ersten Mal seit Jahren halbwegs glücklich.“
Sie nickte, zu sich selbst.
„Und als ich noch herausfand, dass er Bücher geschrieben hat, über das, das, – da verspürte ich nur noch eins: Glück. Ja, das war ich. Glücklich.“
Teever sah sie an. Er erinnerte sich daran, dass er die Bedeutung des eingeritzten „Sch“ schon lange im Kopf gehabt hatte, ohne es formulieren zu können. Teever sah Eva Axelsson tief in die Augen. Sie waren grün und hatten zahlreiche Einsprengsel in der Iris, stellte er erstaunt fest. Ungewöhnlich. Wie bei Lisa. Wieso war ihm das früher gar nicht aufgefallen?
Niemand sagte ein Wort. Vollkommene Stille. Sie hielt seinem Blick stand. Teever hörte Kent atmen. Sah seinen aufgelösten Blick. Als ob er gleichzeitig anwesend und auch in einer ganz anderen Welt war. Oder einer anderen Zeit. Dann verstand Teever den Gesichtausdruck des Jungen. Kent hatte Folke Waldén nicht umgebracht.
Eva Axelsson log nicht für ihren Sohn.
30. Dezember: Abel
„Und was hat sie dann gesagt?“ fragte Lisa. Mit beiden Händen umfasste sie ihren Becher, nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Der Tee war mittlerweile abgekühlt und schmeckte widerlich. Sie hatte Teever aufmerksam
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