Onkel Schwein (German Edition)
starrten auf die Bäume und hingen eigenen Gedanken nach.
„Hat die Polizei mit ihnen gesprochen?“ fragte Teever schließlich seine Beifahrerin.
Die schüttelte den Kopf.
Der Eisregen war inzwischen wieder in Schnee übergegangen. An manchen Stellen blieb er liegen und überzog die trostlosen Äcker um das Haus von Martin und seiner Mutter mit einer trüben grauen Schicht, die ein wenig wie ein Abbild von Teevers Psyche nach dem Zusammensein mit Annika Aulin glich. Teever würde es erst gefallen, wenn die Bäume dick behangen unter der Last des Schnees ächzten. Immerhin lag auf den schrumpeligen Äpfeln schon ein ganz wenig Weiß.
Teever nahm eine seiner Visitenkarten aus dem Handschuhfach. Als er sich dabei über Annika Aulin beugte, roch er ihren Schweiß.
„Haben sie eigentlich noch mehr Kinder?“ fragte Teever.
Fast besorgt.
Sie nickte stumm.
Teever bohrte nicht nach.
Er bat sie, ihn anzurufen, wenn ihr noch etwas Wichtiges einfiele. Nicht dass er mit diesem Anruf rechnete. Wahrscheinlich hätte sie die Karte schon vergessen, wenn sie die Tasche, in die sie sie legte, geschlossen hatte. Teever blickte in das Ungetüm aus braunem Kunstleder. Warum Frauen nur immer so große Handtaschen mit sich herum schleppten. Er sah eine rötliche Brieftasche und Taschentücher. Und eine Packung Medikamente, die er nur zu gut kannte.
Plötzlich sah er Annika Aulin mit ganz anderen Augen. Egal, wie intelligent sie war, es spielte ein weiterer Faktor eine Rolle. Genau dasselbe Antidepressivum hatte er auch einnehmen sollen, als es ihm nach der Sache mit den ermordeten Kindern besonders schlecht gegangen war. Aufgrund der Sorge, ganz die Kontrolle über sich zu verlieren, hatte er dies aber schnell beendet.
Annika Aulin schien diese Bedenken nicht zu haben. Teever fragte sich, ob sie schon lange unter Depressionen litt oder kürzlich etwas Besonderes vorgefallen war. Könnte ihr der Tod Waldéns derartig nahe gegangen sein? Aber warum? Wegen ihres Sohnes? Weil sie darin verwickelt war?
Teever hatte sich eine Tütensuppe gekocht, dazu aß er Toast. Die Suppe hielt, was sie versprach und schmeckte nach Tüte. Er hatte sich an den Küchentisch gesetzt und die Unterlagen der grauen Männer vor sich ausgebreitet. Das meiste war auf Englisch. Business-Englisch, dachte er. Das hatte nicht mehr viel mit seinem Schulenglisch zu tun. Er erinnerte sich an die gemeinsame Zeit mit Lennart Axelsson.
Er sollte mehr vor dem Fernseher sitzen. Da die zumeist amerikanischen Spielfilme nicht synchronisiert wurden, wuchsen viele Kinder quasi zweisprachig auf. So gesehen hatte ein andauernder Fernsehkonsum auch etwas Gutes.
Neben den gestelzten Lobhudeleien über TAG belegten viele Statistiken den Erfolg des Unternehmens. Die Kurven zeigten jedenfalls beständig aufwärts. Teever musste sich eingestehen, dass er manche gar nicht verstand. Er fragte sich aber, wie Hochglanzpapier zum Ökoverständnis von TAG passte. Und auch diese LOHAS-Sache war ihm suspekt: Der aufwendige Lebensstil, mit großen teuren Autos zum Einkaufen der Biolebensmittel, Fernreisen in Ökohotels oder Tonnen von Tropenholzspielzeug für die Kinder machte für ihn viele der ökologischen Einsparungen sofort wieder zunichte. Andererseits musste man ja irgendwo anfangen. Warum nicht da, wo das Geld war? Wirklich ökologisch hatte sich seine Tante verhalten. Sie hatte Ressourcen gespart, Dinge wieder verwendet, Gemüse selbst gezüchtet oder war mit dem Rad gefahren und nicht mit dem Auto. Doch ihr Lebensstil war nicht chic und brauchte keine Abkürzung wie LOHAS, sondern wurde altmodisch als Armut oder Bescheidenheit bezeichnet. Teever fragte sich, ob die Zusammenarbeit mit den Deutschen wirklich sinnvoll war.
Er kippte den Rest der Suppe weg. Im Ausguss sammelten sich kleine Nudeln und völlig gleichförmige Stückchen, die wohl Gemüse darstellen sollten. Direkt aus der Chemiefabrik, dachte er und drückte und drehte sie durch den Ablauf der Spüle.
Anschließend nahm er das Telefon zur Hand und wählte die Nummer von Wilhelmsson, um ihm über seine Ermittlungen zu berichten. Der Kriminalbeamte schien die Hand auf dem Telefon gehabt zu haben und nahm mit dem ersten Klingeln hoch.
„Hier ist der Teufel los“, polterte der statt einer Begrüßung, „die ROCX-Sache ist durchgesickert. Morgen machen die Zeitungen damit auf. Nachher steht es wahrscheinlich im Internet.“
„War ja zu erwarten“, antwortete Teever lakonisch.
„Ja? Ist das so?“ fragte
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