Onkel Toms Hütte
dunkle Wolke versilbert, so erhellte sich Chloes dunkles Gesicht; sie strahlte.
»Du liebe Zeit! Die gnädige Frau ist die Güte selbst! Ich habe gerade dran gedacht. Ich brauche ja keine Kleider, keine Schuhe, kein gar nichts. Ich kann jeden Pfennig sparen. Wieviel Wochen gibt es denn im Jahr, gnädige Frau?«
»Zweiundfünfzig«, sagte Mrs. Shelby.
»Himmel, so viele? Und für jede vier Dollar. Wieviel macht das dann?«
»Zweihundertundacht Dollar«, sagte Mrs. Shelby.
»Waas!« rief Chloe mit einem Ausdruck überraschten Entzückens; »und wie lange dauert es, bis ich alles abgearbeitet habe, gnädige Frau?«
»Ungefähr vier bis fünf Jahre, Chloe. Aber alles brauchst du nicht zu bestreiten, ich werde auch etwas beisteuern.«
»Das gibt es nicht, daß die gnädige Frau Stunden gibt oder so – da hat der gnädige Herr ganz recht; das schickt sich nicht. Hoffentlich kommt niemand in der Familie soweit, solange ich noch Hände habe.«
»Keine Angst, Chloe, ich werde die Familienehre schon hochhalten«, sagte Mrs. Shelby lächelnd. »Wann gedenkst du denn aufzubrechen?«
»Ach, ich gedenke gar nichts; nur Sam, er treibt morgen Vieh hinüber zum Fluß und sagte, ich könnte mitkommen. Ich muß nur noch meine Sachen packen. Wenn es der gnädigen Frau recht ist, gehe ich morgen früh mit Sam, die gnädige Frau muß mir nur einen Paß und eine Empfehlung ausschreiben.«
»Nun, Chloe, dafür sorge ich schon, wenn Mr. Shelby keine Einwände macht. Ich muß noch mit ihm reden.«
Mrs. Shelby ging hinauf, und Tante Chloe begab sich erfreut zu ihrer Hütte zurück, um alle Vorbereitungen zu treffen.
»Du liebe Zeit, junger Herr! Wissen Sie schon, daß ich morgen nach Louisville gehe?« sagte sie zu Georg, als dieser die Hütte betrat und sie beim Ordnen von Kinderwäsche überraschte. »Ich will nur diese Sächelchen richten. Ich gehe weg, junger Herr, ich gehe weg und verdiene dann vier Dollar die Woche; und die gnädige Frau hebt alles auf als Lösegeld für meinen Alten.«
»Hoho!« sagte Georg, »das sind ja tolle Neuigkeiten. Wie fährst du denn?«
»Morgen früh mit Sam. Und jetzt, junger Herr, nicht wahr, Sie setzen sich hin und schreiben einen Brief an meinen Alten und erzählen ihm alles, gelt ja?«
»Ganz gewiß«, sagte Georg. »Onkel Tom wird sich freuen, wenn er von uns hört. Ich gehe gleich ins Haus und hole mir Tinte und Papier. Weißt du, Tante Chloe, dann kann ich ihm auch gleich von den neuen Fohlen schreiben.«
»Freilich, junger Herr, freilich; gehen Sie nur, ich bereite Ihnen auch ein Hühnchen oder dergleichen; Sie werden nicht mehr viel zu essen kriegen von Ihrer armen, alten Tante.«
21. Kapitel
›Das Gras verwelkt – die Blume verblüht‹
Das Leben gleitet dahin, Tag für Tag; so glitt es auch an Tom vorbei, bis zwei Jahre verstrichen waren. Obwohl von allen getrennt, die seiner Seele teuer waren, obwohl oft von Sehnsucht nach der Vergangenheit verzehrt, fühlte er sich doch niemals direkt und bewußt unglücklich.
Sein Brief nach Hause war, wie wir im letzten Kapitel berichteten, von dem jungen Herrn Georg rechtzeitig in sauberer, runder Schuljungenschrift beantwortet worden, die man, wie Tom sagte, gut auf Zimmerlänge lesen konnte. Seine Antwort enthielt verschiedene, erfrischende Neuigkeiten von zu Hause, die unserm Leser schon wohl vertraut sind: daß Tante Chloe sich bei einem Konditor in Louisville verdingt hatte, wo ihre Kunst im Tortenbacken Riesensummen einbringen sollte, die als Lösegeld für Tom bestimmt waren; daß es Mose und Peter glänzend ging und das Baby unter Aufsicht von Sally und der ganzen Familie fröhlich durch das Haus trabte.
Toms Hütte war zur Zeit verschlossen, aber Georg verweilte lange bei der Beschreibung aller Anbauten und Verbesserungen, die man nach Toms Rückkehr vornehmen wollte.
Im übrigen brachte der Brief eine Übersicht über Georgs Schulzensuren und meldete die Namen der vier neuen Fohlen, die seit Toms Weggang auf die Weide gekommen waren, und berichtete im selben Atemzug von Vaters und Mutters Wohlbefinden. Der Stil des Briefes war durchaus sachlich und unpersönlich, aber für Tom war er das herrlichste Schriftstück, das die Neuzeit hervorgebracht hatte. Er wurde nicht müde, es zu betrachten, und beriet sich sogar mit Eva über die Möglichkeit, es einrahmen zu lassen und es dann an die Wand zu hängen. Nur die Schwierigkeit, die Sache so einzurichten, daß beide Seiten auf einmal zur Schau gestellt werden, stand diesem
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