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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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bösartiges, heimtückiges Gemüt nur ersinnen konnte. Wer immer von uns in unsern Verhältnissen Schmerzen auszustehen hat, selbst mit allen Erleichterungen, die uns gewöhnlich erreichbar sind, kennt die Gereiztheit, die damit Hand in Hand geht. Tom wunderte sich nicht mehr über die beständige Verdrossenheit seiner Leidensgenossen; nein, er sah, wie selbst seine gelassene Heiterkeit, die ihm zur Lebensgewohnheit geworden war, gefährlich in die Brüche ging und unter der täglichen Mühsal dahinschwand. Er hatte sich getröstet, in seinen Mußestunden die Bibel lesen zu können, aber hier konnte von Mußestunden keine Rede sein. Auf der Höhe der Ernte zögerte Legree nicht, seine Leute sonntags und werktags gleichermaßen zu schinden. Warum sollte er nicht? Dadurch erntete er mehr Baumwolle und gewann seinen Einsatz. Anfangs hatte Tom nach der Plage des Tages noch ein oder zwei Verse aus der Bibel beim flackernden Schein des Feuers gelesen, aber nach der grausamen Behandlung, die er empfangen, war er fortan am Abend so erschöpft, daß sein Kopf dröhnte und seine Augen versagten, wenn er zu lesen versuchte; er konnte sich nur noch mit den andern in völliger Erschöpfung auf dem Boden ausstrecken.
    Eines Abends saß er vollkommen niedergeschlagen und mutlos vor einem niedergebrannten Feuer, an dem er sein grobes Abendbrot buk. Er legte etwas Reisig auf, schürte das Feuer zu hellerem Licht und zog seine abgegriffene Bibel aus der Tasche. Da waren alle die angestrichenen Stellen, die seine Seele so oft erhoben hatten. Worte der Patriarchen und Propheten, der Dichter und Weisen, die seit frühen Zeiten den Menschen Trost gespendet, Stimmen aus der großen Schar der Zeugen, die im Laufe unseres Lebens uns immer gegenwärtig sind. Hatte das Wort auf einmal seine Gewalt verloren, oder konnte das versagende Auge, seine stumpfen Sinne den Anruf dieser mächtigen Inspiration nicht mehr wahrnehmen? Ein rohes Lachen ließ ihn aufblicken – Legree stand ihm gegenüber.
    »Na, alter Junge«, sagte er, »anscheinend funktioniert deine Religion nicht mehr recht, was? Ich dachte mir doch, diese Erkenntnis müßte auch einmal durch deine schwarze Wolle dringen.«
    Der grausame Hohn war schlimmer als Hunger, Kälte und Blöße. Tom schwieg.
    »Du warst ein Dummkopf«, fuhr Legree fort; »ich hatte es gut mit dir gemeint, als ich dich kaufte. Du hättest dich besser stellen können als Sambo oder auch Quimbo und hättest gute Zeiten gehabt; anstatt alle paar Tage Prügel einzustecken, hättest du sie wie ein Herr an andere Nigger austeilen können. Du hättest sogar manchmal einen guten Whisky-Punsch gekriegt. Na, Tom, willst du nicht lieber vernünftig sein? Wirf den alten Plunder ins Feuer und tritt meiner Kirche bei…«
    »Der liebe Gott bewahre mich!« sagte Tom erglühend.
    »Du siehst doch, daß Gott dir nicht hilft, sonst wärst du nie in meine Gewalt geraten. Deine Religion ist nichts wie Lug und Trug, Tom. Ich weiß es am besten. Halte dich an mich; ich bin jemand und kann allerhand tun!«
    »Nein, Herr, ich wanke nicht. Der liebe Gott mag mir helfen oder nicht, aber ich bleibe bei ihm und glaube an ihn bis zuletzt!«
    »Um so schlimmer für dich«, sagte Legree, spuckte ihn zornig an und gab ihm einen Fußtritt. »Das macht nichts, ich werde dich schon hetzen und kleinkriegen, warte nur!« Damit wandte er sich ab.
    Der gottlose Spott seines grausamen Herrn drückte Toms verzagte Seele auf den tiefsten Stand hinab. Er saß wie betäubt am Feuer. Aber auf einmal schien alles ringsum zu verblassen, und vor ihm stand die Vision des Einen, der mit Dornen gekrönt, verhöhnt und geschlagen wurde. Tom spähte mit Staunen und Verehrung in die erhabene Geduld dieses Antlitzes; die tiefen Augen drangen ihm tief ins Herz, seine Seele erwachte, während er in überströmendem Gefühl mit ausgestreckten Armen auf die Knie sank; da verwandelte sich die Vision allmählich, die scharfen Dornen wurden zu Strahlen der Herrlichkeit, und in unermeßlichem Glanz sah Tom, wie dasselbe Antlitz sich ihm mitleidig zuneigte, und eine Stimme sprach: »Er, der überwindet, soll neben mir auf meinem Throne sitzen, wie auch ich überwunden habe und neben meinem Vater auf dem Thron sitze.«
    Als der blasse Schein des Morgens die Schläfer aufrief zur Feldarbeit, da ging einer unter den zerlumpten Elendsgestalten mit beflügeltem Schritt; fester als der Boden unter ihm war sein starker Glaube an die allmächtige, ewige Liebe.
    Von nun an war das

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