Onkel Toms Hütte
und blickte mit einer Miene um sich, als müßte alle Welt tief beeindruckt von seiner Meinung sein.
»Dann leb' wohl, Onkel Tom, halte die Ohren steif«, sagte Georg.
»Lebt wohl, junger Herr«, erwiderte Tom und blickte ihn zärtlich und bewundernd an. »Der Allmächtige beschütze Euch. Kentucky hat nicht viele Euresgleichen«, sagte er mit überströmendem Herzen, als das knabenhafte offene Gesicht seinen Blicken entschwand. Er ritt fort, und Tom sah ihm nach, bis der letzte Hufschlag verklang, als letzter Ton, als letzter Anblick seiner Heimat. Aber über seinem Herzen spürte er die warme Stelle, wo die jungen Hände den kostbaren Dollar verborgen hatten. Tom preßte sich die Hand aufs Herz.
»Ich will dir was sagen, Tom«, sagte Haley, als er zum Wagen trat und die Handschellen hineinwarf. »Ich will im Guten mit dir anfangen, wie ich es immer mit meinen Niggern mache. Darum sage ich dir von Anfang an: Benimm dich gut, dann behandle ich dich gut. Ich bin nicht hart mit meinen Niggern. Ich versuche es immer im Guten. Sei du vernünftig und spiel mir keinen Streich, denn da kenn ich mich aus bei euch, das nützt dir gar nichts. Wenn ein Nigger ruhig ist und keine Mucken hat, dann hat er es gut bei mir. Will er aber nicht hören, dann ist es seine Schuld. Dann kann ich nichts dafür.«
Tom beruhigte Haley, daß er nicht beabsichtige, Reißaus zu nehmen. Tatsächlich war es verlorene Liebesmühe und eine ganz überflüssige Ermahnung an einen Mann mit solchen Fußfesseln. Aber Mr. Haley hatte es sich angewöhnt, die Beziehungen zu seiner Ware mit derartigen kleinen Ermahnungen anzuknüpfen, die ihm dazu angetan schienen, Heiterkeit und Vertrauen zu verbreiten, um sich später alle unangenehmen Scherereien zu ersparen.
Und so sagen wir Onkel Tom fürs erste Lebewohl, um uns den anderen Charakteren dieses Buches zuzuwenden.
11. Kapitel
Das Eigentum wird aufsässig
An einem regnerischen, späten Nachmittag stieg ein Reisender vor der Tür eines kleinen Gasthauses im Dorf N. in Kentucky ab. In der Wirtsstube fand er eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft beisammen, die durch das schlechte Wetter in diesen Hafen verschlagen war und nun das übliche Bild einer solchen Versammlung bot. Große, hochgewachsene starkknochige Kentuckier in bunten Jagdhemden, ihre langen Glieder unbekümmert mit jener Schlaksigkeit ins Zimmer streckend, die diesem Schlage eigen ist. Die Jagdbüchsen in der Ecke, die Schrotbeutel, die Taschen fürs Wildbret, Jagdhunde und kleine Negerknaben in buntem Durcheinander in allen Winkeln, das war ein charakteristisches Bild. An jeder Seite des Kamins saß im Stuhl zurückgelehnt solch ein langbeiniger Herr; den Hut auf dem Kopf und die schmutzigen Stiefel seelenruhig auf den Kaminsims gelehnt.
In eine solche Gesellschaft der Freien und Franken geriet also unser Reisender. Er war ein kurzer, untersetzter Mann, sorgfältig gekleidet, mit einem runden, gutmütigen Gesicht, eine gewisse, etwas fahrige Umständlichkeit lag in seinem Wesen. Um seine Reisetasche und seinen Regenschirm zeigte er sich ziemlich besorgt, er brachte sie eigenhändig herein, alle Hilfeleistungen der verschiedenen Diener hartnäckig zurückweisend. Ängstlich blickte er sich in der Gaststube um und steuerte dann mit seiner Habe auf die wärmste Ecke zu, wo er sie unter seinem Stuhl verstaute, sich niederließ und sorgenvoll seinen Nachbarn betrachtete, dessen Stiefelabsätze auf dem Kaminsims prangten und der mit Ausdauer und Energie nach rechts und links ausspuckte, eine Betätigung, die auf schwächere Nerven und feinere Manieren etwas beunruhigend wirken mußte.
»Nun, Fremdling, wie geht's, wie steht's?« wandte sich besagter Nachbar an den neuen Ankömmling, einen Ehrengruß von Tabaksaft in seine Richtung spuckend.
»Danke, gut«, war die Antwort des anderen, der besorgt der drohenden Ehre auszuweichen suchte.
»Keine Neuigkeit?« fragte der erste, seiner Tasche eine Rolle Tabak und ein großes Jagdmesser entnehmend.
»Nicht, daß ich wüßte«, erwiderte der Fremde.
»Kaut Ihr?« fragte der erste Sprecher und schob dem alten Herrn mit brüderlicher Miene eine Probe seines Tabaks zu.
»Nein, danke – es bekommt mir nicht«, antwortete der kleine Mann und blickte zur Seite.
»Nein«, sagte der andere leichthin und ließ den Tabak im eigenen Mund verschwinden, um den Vorrat an Tabaksaft nicht ausgehen zu lassen, zum Besten der Allgemeinheit.
Der alte Herr fuhr auch jedesmal erschrocken zusammen, wenn sein
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