Onkel Toms Hütte
Gäste, wies seinem Diener mit einem Kopfnicken den Platz für seine Koffer an, verneigte sich vor der Gesellschaft und schritt mit dem Hut in der Hand gelassen auf den Schanktisch zu, wo er seinen Namen angab: »Henry Butler, Oaklands, Shelby Country.« Dann wandte er sich gleichgültig ab und schlenderte zu der Anzeige an der Wand, die er überflog.
»Jim«, sagte er zu seinem Diener, »mir scheint, wir haben so einen ähnlichen Burschen getroffen, unten in Bernan's.«
»Ja, gnädiger Herr«, erwiderte Jim, »aber mit der Hand, das weiß ich nicht genau.«
»Nein, darauf haben wir natürlich nicht geachtet«, sagte der Fremde und gähnte gelangweilt. Dann wandte er sich an den Wirt und bestellte ein gutes Zimmer, um sofort einige Briefe zu erledigen.
Der Wirt verbeugte sich dienstbeflissen, und eine Schar von sieben Negern, alt und jung, männlich und weiblich, groß und klein, schwirrten alsbald wie aufgescheuchte Rebhühner umher, geschäftig hin und her eilend, einander auf die Zehen tretend und übereinander purzelnd, alle voller Eifer, dem Herrn das Zimmer zu richten, der sich währenddessen unbefangen mitten in der Wirtsstube niedergelassen hatte und mit seinem Nachbarn plauderte.
Der Fabrikant, Mr. Wilson, hatte den Fremden von seinem Eintritt an mit einem Ausdruck ängstlicher und unruhiger Neugierde betrachtet. Es kam ihm vor, als habe er ihn schon einmal getroffen und kennengelernt, aber er konnte sich nicht genau entsinnen. Jeden Augenblick, wenn der andere sprach, sich bewegte oder lächelte, fuhr er auf, starrte ihn an, um seine Augen eilig abzuwenden, wenn die klugen, dunklen Augen des Fremden ihn mit achtloser Kälte musterten. Endlich schien dem alten Herrn die Erleuchtung zu kommen, denn er starrte in so sprachloser Verblüffung und so sichtbarer Betroffenheit auf den anderen, daß dieser auf ihn zuschritt.
»Mr. Wilson, nicht wahr?« fragte er und reichte ihm die Hand. »Verzeihen Sie, daß ich Sie nicht gleich erkannte. Aber ich sehe, Sie entsinnen sich meiner: Mr. Butler von Oaklands, Shelby Country.«
»Ja, ganz recht«, erwiderte Mr. Wilson, wie einer, der im Traume spricht.
In diesem Augenblick erschien ein Negerknabe und meldete, das Zimmer des Herrn sei bereit.
»Jim, du besorgst die Koffer«, sagte der Herr nachlässig, dann sich wieder Mr. Wilson zuwendend, fügte er hinzu: »Ich möchte Sie bitten, mir fünf Minuten Gehör zu schenken, geschäftlich, auf meinem Zimmer, wenn ich bitten darf.«
Mr. Wilson folgte ihm wie ein Traumwandler. Sie gelangten nach oben in ein großes Zimmer, wo ein frisch entfachtes Feuer brannte und noch verschiedene Diener umhereilten und letzte Hand anlegten.
Nachdem alles wohlgelungen war und die Dienerschaft sich entfernt hatte, verschloß der junge Mann sorgfältig die Tür, und, den Schlüssel in die Tasche steckend, kehrte er sich um und blickte mit verschränkten Armen Mr. Wilson freimütig ins Gesicht.
»Georg!« sagte Mr. Wilson.
»Ja, Georg«, wiederholte der junge Mann.
»Das hätte ich nicht gedacht.«
»Ich bin anscheinend ganz gut verkleidet«, sagte der junge Mann lächelnd. »Ein wenig Walnußschale hat meiner gelben Haut ein vornehmes Braun gegeben, und mein Haar habe ich schwarz gefärbt. Sie sehen also, der Anschlagzettel paßt nicht mehr so recht.«
»O Georg, du spielst ein gefährliches Spiel. Ich hätte dir immer abgeraten.«
»Das tue ich auf meine eigene Verantwortung«, erwiderte Georg mit demselben stolzen Lächeln.
Wir bemerken beiläufig, daß Georg väterlicherseits weißen Ursprungs war. Seine Mutter war eine jener Unglücklichen ihrer Rasse, deren persönliche Schönheit sie von vornherein zur Sklavin der Leidenschaften ihres Besitzers und zur Mutter von Kindern machte, die ihren Vater niemals kennenlernen. Von einer der stolzesten Familien in Kentucky hatte er die schönsten europäischen Gesichtszüge und einen hochfliegenden, unbezähmbaren Geist geerbt. Von seiner Mutter hatte er eine leichte Mulattentönung mitbekommen, durch das glänzende, dunkle Auge reichlich wettgemacht. Eine kleine Veränderung in der Färbung seiner Haut und der Tönung seiner Haare hatte ihn in den Spanier verwandelt, als welcher er auftrat. Anmut der Bewegung und Feinheit der Manieren waren ihm so angeboren, daß es ihm keineswegs schwerfiel, die kühne Rolle, die er sich zugelegt hatte, die eines Herrn von Welt und Rang, der mit seinem Diener reist, glaubwürdig zu spielen.
Mr. Wilson, ein gutherziger, aber äußerst ängstlicher
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