Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
Vom Netzwerk:
langbeiniger Nachbar in seine Richtung spuckte; als dieser das gewahr wurde, gab er gutartig seinem Geschoß eine andere Richtung und nahm nun ein Schüreisen unter Feuer, wobei er ein militärisches Talent entfaltete, das zur Erstürmung einer ganzen Stadt gereicht hätte.
    »Was gibt's da?« fragte der alte Herr, als sich in der Wirtsstube plötzlich eine Gruppe um einen Anschlagzettel scharte.
    »Neger entlaufen«, antwortete einer aus der Menge.
    Mr. Wilson, dies war der Name des alten Herrn, erhob sich, rückte vorsichtig Reisetasche und Regenschirm zurecht, nahm umständlich seine Brille heraus, setzte sie auf die Nase und, nachdem alle diese Vorbereitungen getroffen, las er folgendes:
    »Unterzeichnetem entlaufen sein Mulattensklave Georg. Besagter Georg sechs Fuß hoch, sehr heller Mulatte, braunes lockiges Haar; sehr intelligent, spricht gewählt, kann schreiben und lesen; wird sich vermutlich als weißer Mann ausgeben. Hat auf Rücken und Schultern tiefe Narben. Rechte Handfläche mit dem Buchstaben H gebrandmarkt.
    Gebe für ihn lebendig gefangen 400 Dollar, und dieselbe Summe für zuverlässigen Nachweis seines Todes.«
    Der alte Herr las diese Anzeige halblaut von Anfang bis Ende, als wollte er sich alles genau einprägen.
    Der langbeinige Krieger, der, wie vorhin erwähnt, das Schüreisen belagert hatte, zog jetzt sein riesiges Untergestell ein, richtete sich in voller Länge auf, ging hin zu dem Anschlag und spuckte genau eine volle Ladung Tabaksaft darauf.
    »Das ist meine Meinung von der Sache«, sagte er kurz und bündig, bevor er wieder Platz nahm.
    »Hallo, Fremder, was soll das heißen?« fragte der Wirt.
    »Ich würde dem Schreiber genau so ins Gesicht spucken, wenn er hier wäre«, antwortete der lange Kerl ungerührt und schnitt sich den nächsten Tabak zurecht. »Ein Mann, der solch einen Burschen hat und ihn nicht besser behandelt, verdient, daß er ihn verliert. So ein Wisch ist eine Schande für Kentucky. Das ist meine ungeschminkte Meinung, falls es jemand interessiert.«
    »Läßt sich hören«, sagte der Wirt und vertiefte sich wieder in seine Bücher.
    »Ich habe daheim auch meine Leute«, fuhr der Lange fort, den Angriff auf das Schüreisen wieder aufnehmend, »und ich sage ihnen jedesmal: ›Burschen‹, sage ich, ›haut ab, verzieht euch, macht was ihr wollt, ich werde euch niemals nachsetzen.‹ Auf diese Weise halte ich sie. Wenn die das Gefühl haben, daß sie jederzeit auf und davon gehen können, dann vergeht ihnen die Lust. Darüber hinaus habe ich aber ihre Freischeine beantragt, für den Fall, daß mir etwas geschieht, und das wissen sie. Und ich kann dir sagen, meine Burschen sind mit Pferden in Cincinnati gewesen, 500 Dollar wert, und haben mir das Geld abgezählt zurückgebracht, mehr als einmal. Es liegt ja auf der Hand: behandelt sie wie die Hunde, und sie reagieren und arbeiten wie die Hunde, behandelt sie wie Menschen, und sie benehmen sich entsprechend.« Und der brave Pferdehändler bekräftigte seine moralische Anständigkeit mit einem wahren Freudenfeuer von Spuckgeschossen gegen den Kamin.
    »Da haben Sie sehr recht, mein Freund«, sagte Mr. Wilson; »und dieser Bursche, den sie hier beschreiben, ist zweifellos ein feiner Kerl. Er hat bei mir sechs Jahre in einer Sackleinwandfabrik gearbeitet und war meine erste Kraft. Ein begabter Bursche, er erfand eine Maschine zur Reinigung des Hanfs, ein wahres Meisterstück. Man hat es bereits in anderen Fabriken eingeführt, sein Herr hat das Patent.«
    »Ich wette, er hat es und verdient daran eine Stange Geld, und dann geht er hin und brandmarkt den Jungen. Wenn ich nur könnte, würde ich ihm etwas zeigen, was er nicht so schnell vergißt.«
    Hier wurde die Unterhaltung unterbrochen; ein einspänniger, kleiner Wagen, der gar vornehm aussah, hielt vor dem Hause, drinnen saßen ein wohlgekleideter, feiner Herr und ein farbiger Diener, der kutschierte.
    Die ganze Gesellschaft betrachtete den Neuankömmling mit einem Interesse, wie es Müßiggänger und Tagediebe an regnerischen Tagen allen Ereignissen entgegenbringen. Er war von hoher Gestalt und dunklem, spanischem Teint, mit ausdrucksvollen, schwarzen Augen und dichtem, krausem Haar von der gleichen glänzenden Schwärze. Seine wohlgeformte Adlernase, seine schmalen Lippen und die herrlichen Umrisse seiner schön geformten Glieder verfehlten nicht, ihren Eindruck auf die Gesellschaft zu machen. Er war kein gewöhnlicher Reisender, er trat leicht und unbefangen unter die

Weitere Kostenlose Bücher