Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
Vom Netzwerk:
Stuhl eine Art quäkender Melodie von sich, die bei jedem anderen unerträglich gewesen wäre. Aber der alte Simeon Halliday hatte oft erklärt, es sei ihm die liebste Melodie, und die Kinder beteuerten alle, daß sie um keinen Preis der Welt Mutters quietschenden Stuhl entbehren möchten. Und warum? Seit mehr als zwanzig Jahren waren von diesem Stuhl aus nur liebevolle Worte ausgegangen – unzähliges Kopf- und Herzweh war dort geheilt – weltliche und gesetzliche Schwierigkeiten dort gelöst worden –, alles von einer guten, liebevollen Frau.
    »Also beabsichtigst du noch immer, nach Kanada zu gehen, Eliza?« fragte Rachel, als sie ruhig ihre Pfirsiche durchsah.
    »Ja, Madam«, sagte Eliza entschlossen. »Ich muß weiterziehen. Ich wage nicht hierzubleiben.«
    »Und was hast du vor, wenn du dort angekommen bist? Das mußt du dir auch überlegen, meine Tochter.«
    ›Meine Tochter‹, floß Rachel Halliday ganz natürlich von den Lippen, denn ihr Gesicht und ihre Gestalt verkörperten auf natürlichste Weise das Wort ›Mutter‹.
    Elizas Hände zitterten, und ein paar Tränen fielen auf ihre feine Handarbeit, aber sie antwortete fest:
    »Ich werde jede Arbeit annehmen, die ich finden kann. Ich hoffe, daß ich etwas finde.«
    »Du weißt, du kannst hierbleiben, solange du magst.«
    »Oh, ich danke Ihnen«, erwiderte Eliza, »aber« – sie deutete auf Harry – »ich kann nachts nicht schlafen, ich finde keine Ruhe. Vorige Nacht habe ich geträumt, ich sah jenen Mann auf den Hof kommen«, sagte sie schaudernd.
    »Armes Kind!« sagte Rachel und wischte sich die Augen. »Aber du mußt keine Angst haben. Der Herrgott hat es so gefügt, daß aus unserem Dorf noch nie ein Flüchtling gestohlen wurde. Da sollst du nicht die erste sein.«
    Jetzt öffnete sich die Tür, und eine kleine Frau, kurz und rund wie ein Nadelkissen, stand auf der Schwelle mit einem fröhlichen, blühenden Gesicht wie ein reifer Apfel. Sie war wie Rachel in ein strenges Grau gekleidet, und das Musselintuch war über ihrer vollen runden Brust gefaltet.
    »Ruth Stedman!« rief Rachel und ging ihr freundlich entgegen. »Wie geht es dir, Ruth?« sagte sie und ergriff sie herzlich an beiden Händen.
    »Großartig«, erwiderte Ruth, indem sie ihren grauen Hut abnahm, mit dem Taschentuch darüber fuhr und dabei einen runden kleinen Kopf zeigte, auf dem ganz keck das Quäkerhäubchen saß, trotz allen Streichens und Rückens der kleinen Patschhände, die es eifrig zurechtzupften. Einige lose Locken ihres geringelten Haares waren ihr auch hier und da entschlüpft und mußten wieder gebändigt werden. Dann drehte sich der Gast, der wohl fünfundzwanzig Jahre sein mochte, vom Spiegel ab, vor dem er sich in Ordnung gebracht hatte, und sah allerliebst aus, auch jeder andere konnte an der jungen Frau Wohlgefallen haben, denn sie war entschieden eine gesunde kleine Person, von munterem Wesen und gutherzigem Aussehen, das nur je eines Mannes Herz erfreute.
    »Ruth, diese Freundin ist Eliza Harris, und dies ist der kleine Junge, von dem ich dir schon erzählte.«
    »Das freut mich, daß ich dich treffe, Eliza – wirklich«, sagte Ruth und schüttelte ihr die Hand, als sei Eliza eine alte Freundin, auf die sie lange gewartet hatte; »und dies ist dein lieber Bub – ich habe ihm einen Kuchen mitgebracht«, sagte sie und hielt dem Kind einen Kringel hin, das herankam, blinzelnd durch seine Locken blickte und das Geschenk annahm.
    »Wo ist dein Kleiner, Ruth?« fragte Rachel.
    »Er kommt gleich; aber deine Mary nahm ihn mir ab, als wir kamen, und ist mit ihm in die Scheune gelaufen, um ihn den anderen Kindern zu zeigen.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und Mary, ein Mädchen mit offenem, rosigem Gesicht und den großen braunen Augen ihrer Mutter, kam mit dem Baby herein.
    »Ah, sieh da!« rief Rachel, kam herbei und nahm den dicken, hellen, kleinen Kerl in ihre Arme; »wie gut sieht er aus und wie ist er gewachsen!«
    »Ja, das ist wahr«, sagte die geschäftige kleine Mary; sie nahm das Kind, band ihm ein kleines, blauseidenes Häubchen ab und befreite es aus seinen Windeln und seinen äußeren Umhüllungen; nachdem sie es zurechtgezupft und auf die verschiedenste Weise geputzt und ausstaffiert hatte, küßte sie es herzlich ab und setzte es auf den Boden, damit es wieder zur Besinnung kam. Aber das Baby schien eine solche Behandlung ganz gewohnt zu sein, denn es streckte prompt sein Däumchen in den Mund (als ob es so sein müßte) und schien

Weitere Kostenlose Bücher