Onkel Toms Hütte
legte beschwörend ihre Hand auf Rachels Arm. »Führe sie in dein Schlafzimmer, ich will so lange das Hühnchen braten!«
Rachel kam zurück in die Küche, wo Eliza an ihrer Näharbeit saß. Die Tür zu ihrer Schlafstube öffnend, sagte sie sanft: »Komm einmal hier herein, meine Tochter; ich habe eine Neuigkeit für dich.«
Das Blut stieg Eliza in ihr blasses Gesicht; sie erhob sich in zitternder Angst und blickte auf ihren Knaben.
»Nein, nein«, rief die kleine Ruth herbeistürzend und ihre Hände ergreifend. »Hab keine Angst; es ist eine gute Nachricht, Eliza, geh nur hinein, geh nur hinein!« Und sie drängte sie sanft zur Tür, die sich hinter ihr schloß; dann drehte sie sich herum, ergriff den kleinen Harry und küßte ihn ab.
»Du wirst deinen Vater wiedersehen, mein Kleiner. Verstehst du das? Dein Vater kommt heute«, sagte sie immer aufs neue, während das Kind sie verwundert anblickte.
Währenddessen ging hinter der Tür eine andere Szene vor sich, Rachel Halliday zog Eliza zu sich und sagte: »Der Herrgott hat sich deiner erbarmt; dein Mann ist der Knechtschaft entflohen.«
Das Blut stieg Eliza in plötzlicher Glut zu Kopf und schoß ebenso plötzlich zum Herzen zurück. Blaß und fast bewußtlos setzte sie sich.
»Habe Mut, mein Kind«, sagte Rachel und legte ihr die Hände auf den Scheitel. »Er befindet sich unter Freunden, die ihn heute abend herbringen.«
»Heute abend!« wiederholte Eliza, »heute abend!« Die Worte hatten keine Bedeutung für sie; ihr Geist war wie umnebelt, alles schwamm ihr vor den Augen.
Als sie wieder zu sich kam, fand sie sich behaglich ins Bett gepackt, eine Decke über sich gebreitet, während die kleine Ruth ihr die Hände mit Kampfer einrieb. Eliza öffnete ihre Augen und fühlte einen Zustand traumhafter, köstlicher Erschlaffung, wie jemand, der lange eine schwere Last getragen, sich auf einmal befreit fühlt und die Entspannung genießt. Elizas Nerven waren angespannt gewesen seit der ersten Stunde ihrer Flucht, nun konnte sie nachgeben, und ein merkwürdiges Gefühl der Sicherheit und Ruhe überkam sie; und während sie mit weit geöffneten dunklen Augen dalag, folgte ihr Blick wie in einem ruhigen Traum den Hantierungen der anderen. Sie sah durch die offene Tür ins Nebenzimmer; sie sah den Eßtisch mit seinem schneeweißen Tuch; sie hörte den Teekessel summen und sah, wie Ruth mit Kuchenplatten und Schüsseln mit Eingemachtem hin und her trippelte und ab und zu innehielt, um Harry einen Kuchen in die Hand zu stecken, ihm den Kopf zu streicheln oder seine langen Locken um ihre schneeweißen Finger zu wickeln. Sie sah Rachels füllige, mütterliche Gestalt, wie sie hin und wieder an ihr Bett trat, das Laken glattstrich und an den Kissen zupfte, um ihren guten Willen kundzutun. Sie sah ferner, wie Ruths Mann hereinkam – wie Ruth auf ihn flog und mit ihm bedeutungsvoll zu flüstern begann, indem sie eifrig mit ihrem kleinen Finger auf das Nebenzimmer deutete; Eliza sah, wie sie sich mit dem Baby auf dem Arm zum Tee setzte; sie sah die ganze Gesellschaft um den Tisch sitzen, der kleine Harry auf dem hohen Stühlchen unter Rachels Obhut; sie vernahm das halblaute Murmeln des Gesprächs, das sanfte Klirren der Teelöffel, das melodische Klappern der Tassen und Teller, alles mischte sich ihr zu einem herrlichen Traum der Erquickung; und Eliza schlief, wie sie nie zuvor geschlafen hatte seit der furchtbaren mitternächtlichen Stunde, als sie ihr Kind genommen und in die frostige Sternennacht geflohen war.
Sie träumte von einem schönen Land – einem Land der Ruhe, wie ihr schien – mit grüner Küste, lieblichen Inseln und herrlich funkelndem Wasser; und dort, in einem Haus, das freundliche Stimmen ihr als Heim zuwiesen, sah sie ihren Knaben spielen als ein freies, glückliches Kind. Sie hörte die Schritte ihres Mannes; sie fühlte ihn näherkommen, seine Arme umschlangen sie, und seine Tränen fielen auf ihr Gesicht. Da erwachte sie, und es war kein Traum! Das Tageslicht war schon verblichen; das Kind lag friedlich schlafend an ihrer Seite, eine Kerze brannte sanft auf dem Nachttisch, und ihr Mann barg schluchzend sein Gesicht in ihren Kissen.
Am nächsten Morgen ging es fröhlich zu im Quäkerhaus. Mutter war beizeiten auf den Beinen, geschäftige Buben und Mädchen hantierten um sie her, die vorzustellen wir gestern keine Gelegenheit hatten; jetzt waren sie alle auf Rachels sanftes Geheiß »Möchtest du wohl?« oder noch sanfter »Möchtest du nicht
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