Onkel Toms Hütte
Eliza, Georg und Jim teilten sich, so gut es ging, in den übrigen Platz, und der Wagen fuhr weiter.
»Was haltet Ihr von seinem Zustand?« fragte Georg, der vorn neben Phineas saß.
»Ach, er hat nur eine ziemlich tiefe Fleisch wunde; der Fall hat ihm nicht gerade gut getan. Es hat tüchtig geblutet – das hat anscheinend alles mitgeschwemmt, den ganzen Mut – aber er wird es überstehen, und vielleicht war es ihm eine Lehre.«
»Das freut mich«, sagte Georg. »Es hätte mir doch sehr auf der Seele gelegen, wenn ich seinen Tod verursacht hätte, selbst in gerechter Sache.«
»Ja«, erwiderte Phineas. »Töten ist kein angenehmes Geschäft, wie man es auch drehen mag – Mensch oder Tier. Ich bin zu meiner Zeit ein großer Jäger gewesen, und ich kann dir sagen, ich habe gesehen, wie ein sterbender Rehbock mich anblickte, daß ich mir schlecht vorkam, ihn geschossen zu haben, und bei den Menschen ist es noch schlimmer, denn wie deine Frau sagt, ihnen folgt das Letzte Gericht nach dem Tode. Daher weiß ich nicht, ob unsere Leute nicht recht haben, wenn sie so streng über diese Dinge denken. Wenn ich bedenke, was ich erlebte, bin ich doch ziemlich ihrer Ansicht.«
»Was wollt ihr mit diesem armen Kerl anfangen?« fragte Georg.
»Oh, den tragen wir zu Amariah; da wohnt Stephans alte Großmutter – Doreas mit Namen –, die versteht sich großartig auf die Krankenpflege. Nichts kommt ihr mehr gelegen, als wenn sie einen Kranken zu versorgen hat. Wir können damit rechnen, daß er vierzehn Tage liegen bleiben muß.«
Nach einstündiger Fahrt hielt man vor einem schmucken Farmhaus, wo die erschöpften Reisenden mit einem reichen Frühstück empfangen wurden. Tom Locker wurde behutsam in ein Bett gelegt, das viel weißer und sauberer war als alle bisherigen, in denen er gelegen hatte. Seine Wunde wurde sorgfältig behandelt und verbunden, so daß er wie ein krankes Kind ruhig liegen und zuweilen auf die weißen Fenstervorhänge und die ruhigen Gestalten blicken konnte, die in seinem Krankenzimmer leise hin und her gingen. Und hier wollen wir unseren Freunden vorderhand Lebewohl sagen.
18. Kapitel
Miß Ophelias Ansichten und Erfahrungen
Unser Freund Tom verglich oft auf seine einfache Weise sein glückliches Los in der Sklaverei mit dem Schicksal Josephs in Ägypten, und als die Zeit voranschritt und er sich tatsächlich mehr und mehr unter den Augen seines Herrn entwickelte, drängte sich auch ihm dieser Vergleich immer stärker auf.
St. Clare war nachlässig und achtlos in Geldsachen. Bisher hatte Adolf grundsätzlich das Einteilen und Einkaufen besorgt und sich darin mindestens so leichtsinnig und verschwenderisch wie sein Herr erwiesen; gemeinsam hatten beide mit großer Leichtigkeit die Verschwendung beschleunigt. Seit Jahren daran gewöhnt, seines Herrn Eigentum als eigene Verpflichtung zu betrachten, sah Tom mit einer Besorgnis, die er kaum verhehlen konnte, diese riesige Verschwendung an allen Ecken des großen Haushalts und machte zuweilen auf die leise indirekte Weise seiner Klasse Vorschläge, dem Unwesen zu steuern.
Zunächst stellte St. Clare ihn nur gelegentlich an, als ihm aber Toms gesunder Verstand und sein heller Geschäftssinn auffiel, zog er ihn allmählich ins Vertrauen, bis ihm schließlich alle Einkäufe für den Haushalt übertragen wurden.
»Nein, nein, Adolf«, sagte er, als Adolf sich eines Tages beschwerte, daß alle Befugnisse seinen Händen entglitten; »laß du Tom in Ruhe, du verstehst dich nur auf deine Wünsche, Tom versteht sich auf Kosten und Auslagen, und es muß sich einmal jemand darum kümmern, sonst wird das Geld eines Tages zu Ende sein.«
Tom wurde nun jeder Versuchung zur Untreue ausgesetzt, denn sein sorgloser Herr vertraute ihm grenzenlos und übergab ihm Rechnungen, die er selbst nicht ansah, und nahm das Wechselgeld, ohne es zu zählen in Empfang. Aber mit der unerschütterlichen Einfalt seines Herzens, verstärkt durch den christlichen Glauben, widerstand Tom jeder Verlockung. Im Gegenteil, ein schrankenloses Vertrauen war für seinen Charakter nur Schwur und Siegel zu einer noch peinlicheren Genauigkeit.
Bei Adolf war es genau umgekehrt gegangen. Gedankenlos, genußsüchtig und unbeaufsichtigt von einem Herrn, der es bequemer fand, ihn gewähren zu lassen, anstatt ihn zu beaufsichtigen, war er in bezug auf Mein und Dein einer völligen Verwirrung anheimgefallen, die zuweilen selbst St. Clare beunruhigte. Er sah wohl ein, daß seine Nachsicht für seine
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