Online Wartet Der Tod
Gedanken kommen, weg von dem Fall. Bevor sie sich damit wieder befasste, brauchte sie erst einmal einen klaren Kopf. Es fiel ihr nur einer an, den sie anrufen wollte. Sie zog die Visitenkarte aus der Tasche, atmete tief durch und wählte die Nummer.
Eine halbe Stunde später legte der Mann, der sich Enoch nannte, enttäuscht auf. Das Spiel würde früher enden müssen als ursprünglich gedacht. Eigentlich hatte er einige Tage abwarten und wenigstens ein paar Schlagzeilen über die FirstDate-Morde lesen wollen, aber nun war ein Problem aufgetaucht.
Erst jetzt hatte er erfahren, dass die Polizisten sich auch mit Tatiana Chekova befassten und nicht nur mit Caroline Hunter, Amy Davis und Megan Quinn. Sie fragten nach, welche Informationen Tatiana dem FBI geliefert hatte. Sie versuchten zu erkennen, wie Tatiana ins Bild passte.
Er hätte sich klarmachen müssen, dass sie den Zusammenhang irgendwann sehen würden. Das war der einzige Fehler, den er sich während der gesamten, ein Jahr währenden Planungsphase geleistet hatte. Er musste diese Befragungen unterbinden.
Glücklicherweise entstand kein Schaden, wenn das Spiel vorzeitig endete. Der Brief, den er in der Bibliothek hinterlassen hatte, garantierte ihm für den nächsten Tag eine Titelgeschichte zu den FirstDate-Morden. Und er wusste ganz genau, wie er ein Ende der Ermittlungen herbeiführen konnte. Er klappte den Laptop auf seinem Küchentisch zu und überlegte, was er noch mitnehmen musste. In zwei Stunden wurde er auf City Island erwartet.
32
Ellie und Peter Morse trafen sich im »Half King«, einem Pub in Chelsea, das er vorgeschlagen hatte. Er trug verwaschene Jeans, ein langärmeliges schwarzes T-Shirt und ein leicht verknittertes anthrazitfarbenes Jackett, das an einem anderen Mann eher formell gewirkt hätte, ihm aber sehr gut stand. Als er sie mit einem freundschaftlichen Kuss auf die Wange begrüßte, registrierte Ellie die Blicke von ein paar Frauen zwei Tische weiter. Peter fiel einfach auf.
»Schön hier«, sagte sie.
»Der Laden gehört einem Schriftstellerfreund. Sie veranstalten Lesungen, und wie du dir denken kannst, kommen besonders Schreiberlinge gern her, um Gleichgesinnte zu treffen und sich Anregungen zu holen.« Jetzt sah Ellie an einigen Tischen Leute sitzen, die sich über Notizbücher beugten und schrieben. »Was mich angeht, ich brauche totale Stille zum Schreiben. Ich komme zum Essen und Trinken hierher.«
»Wenn man das hier auch kann, bin ich genau richtig.«
»Ich bin froh, dass du angerufen hast, Ellie.« Die erste Silbe ihres Namens betonte er extra.
»Ich auch«, erwiderte sie. Es tat gut, ihn ihren richtigen Namen aussprechen zu hören.
»Und das Timing war perfekt. Als du angerufen hast, hatte ich den Artikel gerade beim Chefredakteur abgeliefert. Ich habe den Brief aus der Bibliothek in den Mittelpunkt gerückt. Das ist das erste Mal, dass ich selbst in meiner eigenen Story vorkomme; das war gar nicht so einfach, aber ich glaube, ich habe den Ton ganz gut getroffen.«
»Das freut mich.«
»Natürlich konnte ich deinen Hintergrund nicht vollständig rauslassen. Die Parallelen zum College-Hill-Würger sind so auffällig, dass ich ein bisschen erklären musste, welche Verbindung da besteht. Ich hoffe, damit kannst du leben.«
»Das werden wir morgen früh sehen, nehme ich an.«
»Ich habe auch daran gedacht, dir den Text noch mal vorzulegen, aber …«
»Vergiss es«, sagte Ellie. »Du machst deine Arbeit, und dazu gehört es nicht, vorher von mir eine Genehmigung einzuholen.«
»Sehr angenehm, dass du es so siehst. Wahrscheinlich musst du selbst es genauso machen, oder? Dein Arbeitsleben ganz klar vom Privaten trennen?«
»So ist es. Du kannst also nur hoffen, dass ich das Crystal-Labor, das du in deinem Kleiderschrank versteckst, nicht entdecke.« Mit seiner vorigen Bemerkung hatte er zweifellos ein Gespräch darüber eröffnen wollen, warum sie so auf der Hut gewesen war vor einer Beziehung mit ihm, aber sie fühlte sich zu diesem Gespräch noch nicht in der Lage. Genau genommen wusste sie gar nicht, worüber sie mit ihm reden wollte, und plötzlich fragte sie sich, warum sie ihn überhaupt angerufen hatte. Wohl auch, weil sie mit jemandem zusammen sein wollte, mit dem sie den Fall nicht erörtern würde – nicht erörtern konnte.
»Falls das was nützt – statt eines Bildes von dir habe ich ein unscharfes Foto von Enochs Brief zu dem Text geliefert. Hoffen wir, dass der Chefredakteur da nicht noch
Weitere Kostenlose Bücher