Online Wartet Der Tod
eine E-Mail-Adresse. Die Leute kamen – zumindest anfänglich – über die FirstDate-Seite in Kontakt; sie nutzten die Mail- und Chat-Kanäle, die FirstDate zur Verfügung stellte, keine privaten E-Mail-Accounts. Das System war so eingerichtet, dass vorsichtige Mitglieder jedes andere FirstDate-Mitglied »treffen« und kennenlernen konnten, ohne je die eigene Identität offenlegen zu müssen.
Anonymität. Sicherheit. Privatsphäre. Das klang alles gut. Es sei denn, ein Mörder nutzte die Anonymität, um sich Sicherheit und Privatsphäre zu verschaffen.
Um die Männer zu finden, die über FirstDate zu Amy Kontakt aufgenommen hatten, mussten Ellie und Flann Zugang zu Amys Account erlangen. Diese einfache Aufgabe hatte sich als frustrierend kompliziert erwiesen.
Auf den vielen Seiten der FirstDate-Website war nur eine einzige Telefonnummer angegeben, und die war für Medienanfragen vorgesehen. Alle anderen sollten sich per E-Mail melden. Ellie hatte die Nummer gewählt und war an eine PR-Frau geraten, die sie nach langem Hin und Her endlich zu einer Kundenberaterin durchstellte. Zu ihrer Überraschung hatte Ellie, nachdem sie ihren Namen und Dienstgrad genannt und den Grund ihres Anrufs erklärt hatte, von der FirstDate-Angestellten zu hören bekommen, ohne gerichtliche Verfügung werde die Firma keine persönlichen Informationen über Amy Davis herausgeben.
»Die arme Frau ist tot«, hatte Ellie protestiert. »Ich bin sicher, wenn sie jetzt hier wäre, läge ihr mehr daran, dass die Polizei ihren Mörder findet, als daran, ihre Privatsphäre zu schützen.«
Nach kurzem, feindseligem Schweigen hatte die Angestellte erklärt: »Wir bei FirstDate gehen davon aus, dass die Privatsphäre für unsere Kunden das höchste Gut ist. Trotzdem werden wir einer rechtmäßigen gerichtlichen Verfügung natürlich nachkommen.«
Anonymität. Sicherheit. Privatsphäre.
Nachdem ihre Vorstöße bei FirstDate im Sande verlaufen waren, hatten sie es bei ihren hauseigenen Technikern versucht und die Auskunft erhalten, die Leute seien überlastet und könnten sich Amys Laptop nicht so bald anschauen. Offenbar reichten McIlroys gute Verbindungen nicht bis in die Niederungen der technischen Abteilungen.
»Ach, was soll’s. Die Technikfritzen, die etwas taugen, werden sowieso alle von Firmen oder irgendwelchen Gaunern abgeworben.« Seite an Seite saßen sie an seinem Schreibtisch und starrten auf den Bildschirm von Davis’ Laptop. McIlroy griff zum Telefon. »Ich kenne einen Staatsanwalt, der wird uns eine gerichtliche Verfügung besorgen. Wir zwingen die von FirstDate, uns Davis’ Daten zugänglich zu machen.«
Ellie winkte ab. »Das dauert bestimmt ewig. Lassen Sie mich mal ein paar Sachen probieren.«
Sie öffnete die Log-in-Seite von FirstDate, schrieb »MoMAgirl« in das Feld für den Benutzernamen, gab eine zufällige Buchstabenkombination als Passwort ein und drückte Enter. Der Computer meldete »Error« und dazu die Begründung, Benutzername und Passwort hätten nicht zusammengepasst.
»Was soll der Mist?«, schnaubte McIlroy. »Meinen Sie wirklich, Sie kommen zufällig drauf?«
»Nö.« Ellie klickte den Hypertext unter der »Error«-Meldung an: Passwort vergessen?
Als das nächste Fenster aufging, lächelte sie. Drei Dinge mussten in entsprechende Felder eingegeben werden: die E-Mail-Adresse, unter der das Mitglied sich hatte registrieren lassen, das Geburtsdatum des Mitglieds und der Name des Haustiers. »Dafür, dass sie so großen Wert auf Privatsphäre legen, haben sie weiß Gott wenig unternommen, um die zu schützen.«
Auf Amys Schreibtisch hatte sie einige ausgedruckte E-Mails liegen sehen. Auf allen war eine E-Mail-Adresse mit ihrem Namen beim Museum of Modern Art angegeben gewesen. Diese Adresse schrieb Ellie jetzt in das erste Feld auf dem Schirm, dann fügte sie Amys Geburtsdatum und »Chowhound« hinzu. Das war ein guter Name für eine Katze. Gut und leicht zu merken.
Sie hielt den Atem an und drückte Enter. Es erschien die Nachricht: Leider stimmen Ihre Angaben nicht mit dem überein, was bei uns hinterlegt ist.
McIlroy griff erneut nach dem Telefon. »Jetzt ruf ich im Büro des Staatsanwalts an. Bloß gut, dass ich Sie nicht wegen Ihrer Computerfähigkeiten zu dem Fall hinzugezogen habe.«
»Wagen Sie es nicht!«, erwiderte sie mit erhobener Hand. »Ich dachte, Sie fassen allmählich Zutrauen zu mir.«
Sie ging auf das Profil von MoMAgirl. Das Foto von Amy war sehr vorteilhaft, wobei ein paar
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