Online Wartet Der Tod
FirstDate hat mit dem Fall zu tun, den ich gestern erwähnt habe.« Sie erzählte ihm von Flann McIlroy und seiner FirstDate-Theorie. Es war offensichtlich, dass Jess schwere Vorbehalte gegen ihre Anmeldung bei der Kontaktbörse hatte, aber er äußerte sie nicht.
»Hoffen wir mal, dass Flann dem Schicksal dafür dankt, dass er den einzigen New Yorker Cop gekriegt hat, der pausenlos arbeitet. Die Polizistin, die ich am wenigsten an den Hacken haben möchte, ist Ellie Mae Hatcher.«
»Du hast mich an den Hacken.« Als Ellie neu in ihrem Job gewesen war, hatten Jess und sie ausgehandelt, wie sie mit den offensichtlichen Differenzen und potenziellen Konflikten umgehen wollten, die ihre unterschiedlichen Lebensstile mit sich brachten. Ellie hatte großen Wert darauf gelegt, dass Jess der Unterschied zwischen Schlechten-Umgang-Haben und Komplize-Werden klar war. Er hatte zugesichert, dass er diese Grenze nicht überschreiten würde. Indem sie ihn immer wieder einmal auf ihrem Sofa duldete, half sie ihm auf ihre Art, sich an seinen Teil der Abmachung zu halten.
»Vielleicht werfen die Nachforschungen bei FirstDate ja einen Gewinn für dich ab und du findest dort wirklich jemanden, der dir gefällt.«
»Wie gesagt, es geht nur um den Fall.«
»Na ja, jetzt vielleicht nicht mehr. Mit ein paar Typen, die mir für dich passend erschienen, hab ich ein bisschen geflirtet.«
»Du hast was?«
»In der E-Mail von FirstDate stehen alle Angaben zu Deinem Account, da bin ich neugierig geworden. Und dann habe ich an ein paar Leute Flirts geschickt. Irgendwann musste ich allerdings aufhören; ich kam mir irgendwie so schwul vor. Aber vertrau mir, ich hab viel interessantere Kerle rausgesucht als du.«
»Jess. Ich habe zu diesen Männern Kontakt aufgenommen, weil ich meine, sie könnten gewalttätige Irre sein, nicht, weil es meine Traumtypen sind.«
»Okay, verstehe. Tut mir leid, aber trotzdem …«
Als Jess nicht aufhörte, darauf herumzureiten, dass Ellie aus ihren Recherchen einen persönlichen Vorteil ziehen könnte, bekannte sie schließlich, dass ihre Neugier zumindest geweckt war, und zeigte ihm das Profil von Chef4U, dem Zweiunddreißigjährigen von der Upper East Side, der ihr in Caroline Hunters Account aufgefallen war. Er hatte lockiges aschblondes Haar und ein Lächeln in den Augen.
»Was für ein Weichei«, sagte Jess nach flüchtigem Hinschauen. Dann las er mit melodramatischer Geste den Text zum Bild vor: »Kluge Frauen sind sexy. Was zählt, sind die inneren Werte.«
»Was ist daran so schlimm?«
»Wenn er das extra betonen muss, meint er es nicht. Glaub mir. Ich bin ein Mann, ich weiß, wie wir vorgehen. Mit dem Spruch will er nur an Frauen ran, die denken, sie sind nicht hübsch genug, um was Besseres zu kriegen als ihn. Er kocht nach Julia Child? In Manhattan? Fünfzig Mäuse darauf, dass er noch nicht mal ’ne Bratpfanne hat.«
»Als ob du fünfzig Mäuse hättest.«
Trotzdem las Ellie den Text noch einmal und sah ihn plötzlich in einem völlig anderen Licht. In jedem anderen Bereich ihres Lebens verließ sie sich auf ihr Gespür. Sie hatte nicht gezögert, nach New York zu ziehen. Sie hatte ihre Entscheidung, ihre Ausbildungspläne zugunsten des John Jay College Of Criminal Justice zu ändern, nie in Zweifel gezogen. Bei der Arbeit erfasste sie besser als mancher Kollege mit jahrzehntelanger Erfahrung, wie Verdächtige, Zeugen oder mutmaßliche Opfer tickten.
Aber wenn es um Männer ging, war sie noch genauso naiv wie damals als Neuntklässlerin, als sie sich mit dem Quarterback der Highschool, Gil Morton, zu ihrem ersten Auto-Date traf. Er hatte die Beifahrertür seines Pick-ups aufgestoßen und gefragt, wozu sie Lust hätte. Irgendwas, egal . Er schlug vor, sie könnten sich Pizza bestellen und Lethal Weapon ausleihen. Eine Viertelstunde später hatte sie sich bei ihm auf dem Sofa wiedergefunden, ohne Pizza, ohne Film, aber belagert von hundertachtzig Pfund, schlabberigen Küssen und Gegrapsche. Irgendwie hatte sie die Kurve gekriegt und hatte Jess von einem Supermarkt aus angerufen, damit er sie abholen kam, aber wirklich gelernt hatte sie aus der Sache nicht.
Ellie ging davon aus, dass Männer die gleichen Dinge wertschätzten wie sie selbst. Sie nahm an, dass Männer nicht nur eine Geliebte wollten, sondern auch eine Freundin, jemanden, der sie forderte, ein gleichrangiges Gegenüber. Das Problem waren nicht diese Erwartungen, wie Jess ihr immer wieder zu erklären versuchte – es gebe
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