Online Wartet Der Tod
dem Laufenden!«
»Das werde ich.«
»In Queens untersuchen Brandschutzinspektoren heute Abend die Ursachen eines Feuers, das …«
Ellie schaltete den Fernseher aus. Peinliches Schweigen lag über dem Raum, während eine Zivilangestellte, die sich eben am Automaten ein Snickers gezogen hatte, Ellie erwartungsvoll anstarrte.
Schließlich sagte die junge Frau: »Wer weiß? Vielleicht wird der Mörder neidisch, wenn er sieht, wie viel Aufmerksamkeit Sie kriegen. Das lockt ihn vielleicht aus der Deckung.«
Ellie sah Flann an. »He … daran haben wir ja noch gar nicht gedacht. Das wäre doch spannend, oder?«
»Man weiß ja nie«, sagte die Frau, packte ihren Schokoriegel aus und ergriff die Flucht.
»Alles okay?«, fragte Flann.
»Ja, sicher. Lassen Sie mir einfach einen Moment Zeit.«
»Kein Problem. Ich gehe kurz aus dem Haus und besorge mir einen anständigen Kaffee. Soll ich Ihnen etwas mitbringen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber danke«, sagte sie noch, als er die Tür hinter sich zumachte.
Sie brauchte Zeit, um ihren Gedanken nachzuhängen. Zu ihrer eigenen Überraschung machte ihr die Tatsache, dass sie erneut zum Gegenstand des Medieninteresses geworden war, gar nicht so zu schaffen. Vielmehr quälte sie das unbestimmte Gefühl, dass sie etwas übersehen hatten. Es hatte mit Amy zu tun. Die anderen Morde waren alle schnell verübt worden – relativ schmerzfrei, sofern sich das von einem Mord sagen ließ. Bei Amy aber war der Täter äußerst brutal vorgegangen. Sie dachte an die Druckstellen und Quetschungen, die sie auf dem Foto aus der Pathologie gesehen hatte, und versuchte sich den Kampf vorzustellen, der stattgefunden haben musste, damit es zu derartigen Verletzungen gekommen war. Sie verglich diese Bilder mit dem, was sie in Megan Quinns Wohnung gesehen hatte. Irgendetwas war bei Amy anders gewesen.
Flann hatte, bevor Ellie dazugestoßen war, entschieden, dass niemand aus Amys derzeitigem Bekanntenkreis als Täter in Frage kam, und Ellie vertraute darauf, dass er keinen offensichtlich Verdächtigen übersehen hatte. Also blieb nur Amys Vergangenheit.
Dass früher gegen einen Jungen aus Amys Umfeld eine einstweilige Verfügung ausgesprochen worden war, ging Ellie nicht aus dem Kopf. Unzählige Frauen hatten Schwierigkeiten mit Exfreunden, aber wie viele unternahmen deswegen juristische Schritte? Dazu kam die Tatsache, dass der junge Mann ein Computercrack gewesen war. Eine Persönlichkeit mit obsessiven Zügen und ausgeprägten technischen Fähigkeiten – das war genau das, wonach sie suchten. Sie stellte sich jemanden wie Taylor Gottman vor. War die Idee, dass eine solche Obsession ein Jahrzehnt später erneut aufflammte, zu weit hergeholt?
Sie schaute sich die Notizen an, die sie während ihres Telefonats mit Suzanne Mouton gemacht und am Ende durchgestrichen hatte. Edmond Bertrand war wie ein Hauptverdächtiger erschienen – bis Suzanne gesagt hatte, er sei tot. Eine Überdosis Heroin. Ich war damals noch ziemlich neu an der Louisiana State University. Dort habe ich davon gehört.
Vielleicht hatte sie ihn zu schnell abgehakt, dachte Ellie jetzt. Zu der Zeit, als er angeblich an einer Überdosis gestorben war, hatte Suzanne nicht mehr in New Iberia gelebt. Sie hatte davon gehört – bestimmt von jemandem, der eine Geschichte aus zweiter Hand weitererzählte. Die meisten Leute schmückten Geschichten, die sie weitererzählten, zusätzlich aus. Und die nächsten schmückten sie noch weiter aus. So eine Art »Stille Post«; was an einem Abend in New Iberia noch als Drogen-Horrortrip die Runde gemacht hatte, konnte sich zu der Zeit, als Suzanne Mouton in ihrem Wohnheim auf dem LSU-Campus in Lafayette davon hörte, schon zu einer tödlichen Überdosis ausgewachsen haben.
Ellie verließ den stillen Pausenraum, setzte sich an Flanns Rechner und öffnete das New Yorker Führerscheinregister. Kein New Yorker Führerschein, keine Zulassung. Sie versuchte es bei den Strafanzeigen. In New York keine Festnahme und keine Verurteilung. Danach ging sie auf die Seite des National Crime Investigation Center, NCIC, einer Datenbank, in der bundesweit verbrechensrelevante Informationen zusammengetragen wurden; eine Auflistung aller, die per Haftbefehl gesucht wurden und flüchtig waren, Vermisstenanzeigen, Anzeigen wegen sexueller Übergriffe. Dort gab sie Bertrands Namen ein und landete einen Treffer.
Edmond Bertrand, geboren am 16. Oktober 1974. Wegen Fälschung vor sechs Jahren vorübergehend
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