Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
im Maulkorb steckenden, mit Rot getränkten, vor Rot tropfenden Kopf der weißen Schäferhündin zwischen Daumen- und Zeigefingerkuppe an der Spitze eines Ohres hält.
Die Fläche der anderen Gesäßhälfte ist die einzig verbliebene größere Hautpartie ohne Tätowierung. Es gibt dort nur eine ganz offenbar abrupt beendete, grobe Skizze eines weiteren Porträts. Und ungefähr in Höhe der Stirn jener unidentifizierten Person jenen realen Schnitt, der seither blutete.
Wie sodann ein brutaler Zoom offenbart, beherrscht braunrotes Gefieder Taille, Rücken, Rückseite der Arme und Schultern. (Gespickt von einer Spreu Vignetten, u. a. eine trollhafte »Fiona« im Burlesquekostümchen; eine gewisse »Minka«; »Eymen«, Aal; ebenso »Pimmel-Paule« und die beiden Todesopfer, der Dealer und der Widersacher Buvs; usf.) Die Schulterblätter präsentieren, gerahmt von Federn, je ein größeres Porträt: rechts das eines »Onkel Bogdan«, wie die gewundene Nomenklaturschleife informiert; links das einer »Mutter Berta« (wiewohl mit piratenmäßiger Augenklappe, unverkennbar Albert Loy).
Das Kameraauge gleitet über die momentan faltenverworfene Zielscheibe im Nacken, über die Hirnstruktur des puren Schädels, windet sich um die verknorpelte Ohramputationsstelle herum und zieht das Gesicht in die Totale. Implantierte Teflonhörnchen, Hirnwalnuß, Ringe statt Brauen, Waschbäraugenhöhlen mit starrer Iris, die nun zweimal untot zwinkern wie eine Bildstörung, zernarbte, mückenstichige Wangen, Nase mit subtiler Schnabelanmutung, Kannibalenknochen, an dem, vom Träger unbemerkt, wie Eiklar ein Sekret zappelt. Woran nun auch der letzte Betrachter erkennt, wie stark die innere Bewegung des Hünen sein muß – selbst wem bisher entgangen ist, daß er in Zwölf-bis-fünfzehn-Sekunden-Zyklen erschauert; wem bspw. die Gänsehaut auf Mutter Bertas hoher Stirn unter der Lauchwurzelfrisur entgangen ist.
Er hat den Mund zum zahnlosen Grinsen geöffnet, die Zunge wie geschwollen; vom rechten Bogen der Unterlippe blutet’s immer noch schwach, doch stetig, so, wie wenn man sich an einem scharfen Grashalm verletzt hat, auf dem man einen Hahnenschrei nachgeahmt. Das Blut rinnt aufs schuppengepanzerte Kinn und tropft davon herab – vorbei an dem vorpickenden Kopf eines Haushahns, den der quasi transparente Adamsapfel beherbergt –, tropft teils vorbei an dem Wilson-Football des rechten Bizeps, tropft teils auf die vorgewölbte rechte Brust. Deren Warze ist die überdimensionale Warze an der rechten Brust einer nackten venezianischen Kokotte mit langschnabeliger Vogelmaske. Die Nomenklaturschleife besagt: »Mama«.
Ab jetzt folgt die Kamera der Spitze des Dolches, den der Hüne wie einen Zeigestock benutzt (wobei auch noch einmal recht eindrucksvoll die B-U-M-M-Beschriftung auf den Fingergliedern in Szene gesetzt wird, desgleichen die kunstvolle Fassung der drei blauen Punkte überm Daumen), die rechte Flanke abwärts. Schweift über eine ins Sonnengeflecht geprägte Hexenvisage mit abwärts mäandernder, gespaltener Zunge, die den Bauchnabel in die Zange nimmt. Der Bauchnabel bildet den 3-D-Kern einer Eichelrückseite. Diese glans penis sitzt am Ende eines Phallus, der durch Branding bzw. Carving modelliert wurde (= Brandmarkung; Verbrennung zweiten Grades durch vorgeformtes, erhitztes Stahlplättchen). Dieser Phallus teilt die Wurzel mit der des herabbaumelnden Aals und des schlammfarbenen Beutels mit den Schlangeneiern.
Oberhalb der rechten Lende, plastisch in den Taillenschwung des Obliquus externus integriert, greift eine klunkerbesetzte Greisinnenhand mit Hexennägeln (Nomenklaturschleife: »Tante«) nach dem Phallus. Weiter abwärts schweift die Kamera – rechter Oberschenkel, Knie, Schienbein (Satanspelz, Echsenpanzer, Löcher mit grobem Fleisch und Mark und Bein) – und wieder aufwärts: linkes Schienbein, Knie, Oberschenkel (dito). Schweift über den gefüllten Maulkorb sowie schließlich die zweite klunkerbesetzte Greisinnenhand mit Hexennägeln (Nomenklaturschleife: »Votze«) sowie wiederum die Hexenvisage.
Und endet schließlich in der Herzgegend. Dort tippt die Dolchspitze des Hünen auf die Nase Onno Viets’: Augenlider geschlossen, Mund geöffnet. Über der Stirn einen billigen Heiligenschein. Ein heiliger, harmloser Nager im Winterschlaf. Nomenklaturschleife: »Otto«.
Während jener dermatographischen Dokumentation stand der Hüne vor der Querkante von Tisch 3, Backbordseite.
Bei dem abrupten, gleich
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