Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
keinen neuen Auftrag, doch vorgeblich recherchierte Onno gründlich, ob wenigstens Möglichkeiten zur Fortbildung etc.
Am Abend des Freitags, den 7. Mai, war sie ein wenig traurig, daß sie am nächsten Tag fünfzig Jahre alt werden würde. Bereute zudem heiß, daß sie auch das Ansinnen ihrer Stammfamilie abgelehnt hatte, den Tag mit ihr zu begehen. Der Versuch, diesen besonderen Tag einfach zu ignorieren, mußte einer barocken Gestalt wie ihr mißlingen, das war von Anfang an jedem klar gewesen – außer ihr selbst. Onno war sehr süß zu ihr. Versprach ihr einen Nudelauflauf in der Größe einer Paellapfanne aus Villabajo.
Am Morgen des Samstags, den 8. Mai, weckte er sie um neun Uhr mit Frühstück im Bett samt fünfzig roten Rosen. Gestand aber, daß es am Abend doch keinen Nudelauflauf geben würde. Sang, was er naturgemäß nur unzureichend beherrschte, die ganze Zeit »Es – steht – ein – Pferd auf’m Pflur …«, und auf dem Weg zu ihrem morgendlichen Toilettengang fand Edda ein manufakturneues Damenfahrrad mit vierzehn Gängen, je einem Einkaufskorb vorn und hinten sowie Hupe vor. Felgenchrom erhellte den finsteren Korridor.
Um halb elf begann Onno sie zu drängen, sich für einen sonnigen Tag anzuziehen, und um elf klingelte es an der Tür. Unten stand ein Taxi, mit dem sie zu den Landungsbrücken fuhren. Dort wartete bereits das sog. Nostalgieschiff Liekedeeler mit fünfunddreißig Gästen an Bord – dem engsten Kreis aus Eltern und Schwiegereltern, Schwägerin und Geschwistern, Freundinnen und Freunden wie unsereins. (Die Charter betrug 300 Euro pro Stunde, doch der Käpt’n war ein Kunde Raimunds und ihm noch ein Kompensationsgeschäft schuldig, und da zufällig grad ein gut bezahltes Storno hereingekommen war – Familienstreit –, hatte er die Gelegenheit mit Kußhand wahrgenommen.) Es handelte sich um eine restaurierte, knuffige kleine Elbfähre Baujahr 1927, rund fünfundzwanzig Meter lang und fünf Meter breit, mit Salon und hölzernem Sonnendeck samt – segel und Bar – ein Kleinod, das vor Elbschippercharme aus allen Nieten platzte. Auf ihr gondelten wir den Rest des strahlenden Tages durch den Hafen, den Strom hinab bis nach Stadersand und wieder zurück, schlemmten und pichelten und sonnten uns, was das Zeug hielt – ja tanzten sogar –, und mindestens einmal pro Stunde fing Edda »Üfü« Viets zu heulen an.
Sonntag, den 9. Mai: Kater, aber glücklich.
Am Montag, dem 10. Mai, verließ sie um zehn vor acht das Haus und radelte zur Arbeit. Nahm das Fahrrad mit in den engen Korridor, weil sie Angst hatte, es könne gleich am ersten Tag gestohlen werden. Zum Feierabend war Onno bereits beim Tischtennis. Vom Après-TT zurückgekehrt, alberte er noch ein halbes Stündchen herum mit ihr, die bereits hundemüde war und bald zu Bett ins Schnarchexil ging, am Dienstagmorgen des 11. Mai um zehn vor acht zur Arbeit radelte und zu Tode erschrak, als sie bereits eine Stunde später – hier, bei Liliput – ihrem Onno ins Gesicht blickte. Es sah entsetzlich aus: Weiß wie Mozzarella schimmerte es unter Pelle und Pixeln vom Mallorcarost hervor.
Frieda hatte sie mitten aus einem Schlichtungstohuwabohu in puncto Beleidigung, üble Nachrede und Rufmord zwischen Leyla P. (4) und Anna-Tabitha Z. (4) gerufen. Onno stand an der Rezeption und sagte: »Komm, mein Engel, wir müssen unsere Sachen packen, schnell. Frag nicht, nech? Ich erklär’ dir alles unterwegs.«
›Mein Engel‹ hatte er sie, seit sie sich kannten, bisher nur zweimal genannt: als ihre Großmutter starb und als ihre beste Freundin verunglückte.
›Frag nicht‹ … Sie wußte es ja längst. Es war ihr längst vage bewußt. Unter bewußt.
Es war einfach alles viel zu schön gewesen, als daß es mit rechten Dingen hätte zugegangen sein können.
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So weit die postmallorquinische Woche in Eddas Perspektive. Und in Onnos? Daß dessen Stimmungskurve im gleichen Zeitraum einen ähnlich stetig ansteigenden Verlauf beschrieb – bis zum Absturz –, verdeutlicht ein Vergleich der beiden rahmenden Trainingsabende.
Am Montag, dem 3. Mai – dem ersten Tag nach seiner Landung in Fuhlsbüttel –, hatte Onno jedes Spiel verloren. Er verlor nicht nur sämtliche Doppel, sondern vor allem jedes einzelne Einzel (zzgl. einer Revanche). Von den nackten Ergebnissen her eine Sensation.
Ein Triumph jedoch für keinen von uns übrigen drei. Ja, Raimund, Ulli und ich waren kaum weniger unfroh als Onno.
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